Berlin Beatet Bestes

Sex wie viertel sieben

Berlin Beatet Bestes. Folge 156. Cissy Kraner: Ich möcht’ so gern ein Teenager sein (1959).

I bin kein junges Mädchen und keine alte Frau, I bin djösst so dazwischen, das sieht man ganz genau. Doch neide ich der Jugend das Leben, das sie führt, denn unsre Zeit, die wird doch heut’ vom Teenager regiert. Kaum ist ein Mädchen sechzehn, kommt schon ein Regisseur, und kann’s a bissl krächzen, macht’s auch schon a Karrier’. Ganz ungerechterweise macht mit ihr man ein Trara, denn ehrlich g’sagt, das, was die Conny kann, das konn’ I a. Hätt’ ich d’ Figur von der Monroe, das G’sicht von der Brischiitt Bardot, die Stimme von der Callas, da fragaten’s, ist das allas? Heut’ gilt ja nicht die Kunst allein, heut’ muss man auch noch taufrisch sein. Und die Aussicht, dass das möglich, verschlechtert sich ja täglich.
Ia möcht’ so gern ein Teenager sein! Warum denn nicht? Ich seh’ es nicht ein. Ia möcht’ so gern ein Teenager sein! Ta-ta-ti-ti-Teenager! Ia tanzet zu der Musikbox. Statt Würschtl esset ich Hot Dogs. Ia möcht’ so gern ein Teenager sein! Ta-ta ti-Teenager! I traget voller Arroganz am Kopf um einen Pferdeschwanz und enge Röhrenhosen, statt an Rock. Rock! Rock! Ich sagte Daddy statt Papa, und sagte Mummy statt Mama. Und wenn ich niesen muss, mach ich statt: tsch, tsch, tsch – Tssch! Tssch! Tssch! Ia möcht’ so gern ein Teenager sein! Warum denn nicht? Ich seh’ es nicht ein. Ia möcht’ so gern ein Teenager sein!
Was ich für a Hex’ wär, das wär schon übertrieben. Mein Sex wär’ schon nicht Sex mehr, der wär’ scho’ viertel sieben. Das ist ja was mich aufregt, mehr als ein Fussballmatch. Ich hätte alles, was man braucht, nur’s Alter nicht, das »Age«. Einst ham für’d jungen Mädchen die älter’n Herrn’n geschwärmt. Die jungen Burschen aber, ham sich für uns erwärmt. Heut fliegen auf die Teenager, die Alten und die Boys, und wir, die wir schon reifer sind, steh’n da mi’m g’woschnem Hals. Dabei mach’ ich doch alles ja, genauso wie die Teenager. Ich pfeife auf den Pen-Club, i bin in einem Fan-Club. I hob nur heiße Musik z’haus’. I spiel bei Tag den Peter Kraus und in der Nacht den Elvis, ob’s zehn ist oder zwölf ist.«

Dieser hellsichtige und ironische Text stammt aus dem Jahr 1959. Gültig ist er immer noch, jetzt erst recht. Die Popkultur wurde in den letzten 50 Jahren immer jugendfixierter, die Kunst allein gilt nichts mehr. Gesungen wurde das Lied von Cissy Kraner, geschrieben von ihrem Ehemann Hugo Wiener. Beide lernten sich 1938 als Mitglieder einer Revuebühne auf der Fahrt von Wien nach Bogotá in Kolumbien kennen. Dem Juden Hugo Wiener gelang damals die Flucht aus Wien. Seine Familie wurde deportiert. Cissy Kraners größter Hit war das anzügliche Lied »Der Novak lässt mich nicht verkommen«, vom dem sie mehrere Versionen aufnahm. Hugo Wiener starb 1993. Am 1. Februar 2012 verstarb Cissy Kraner 94jährig. Sie wurde im Ehrengrab Hugo Wieners auf dem Wiener Zentralfriedhof bei­gesetzt.