Die Mietpreisdebatte im Bundestag

Bau auf, freie Wirtschaft, bau auf!

Die Bundesregierung hat inzwischen eingesehen, dass es ein Problem mit bezahlbarem Wohnraum gibt. Lösen soll es selbstversändlich der Markt.

Die FDP sah schwarz für die Zukunft des Baus von Lofts, Town- und Penthouses in den besseren Lagen. Solle auch künftig in Ballungsgebieten »hochwertiger Wohnraum« entstehen, dann dürfe »Investoren das Geldverdienen nicht verboten werden«, warnte ihr Generalsekretär Patrick Döring am Donnerstag vergangener Woche anlässlich der großen Mietpreisdebatte im Bundestag. Sollte sich die Opposition mit ihren Plänen für eine »Mietbremse« durchsetzen, drohe eine »Verschärfung der Wohnungsnot«. Doch Döring und die Immobilienwirtschaft können sich entspannen: Ein Verbot, mit Wohnimmobilien auf Kosten der Mieter Kasse zu machen, ist nicht in Sicht.

»Bezahlbares Wohnen« war der Titel der Bundestagsdebatte. In einem Bericht hatte die Regierung auf den wachsenden Mietdruck hingewiesen. Wohnen ist demnach für die privaten Haushalte in Deutschland der größte Einzelposten der Kon­sum­ausgaben, 2011 haben sie mit insgesamt 338 Milliarden Euro rund ein Viertel ihres Einkommens dafür ausgegeben. Und obwohl die Baubranche boomt, zeichnen sich dem Bericht zufolge »in einer zunehmenden Zahl von Städten und Regionen Wohnungsmarktengpässe ab«.
Das Geldverdienen, um das Döring sich so sorgt, führt dazu, dass die durchschnittlichen Wohnungsmieten bei Neuverträgen in manchen Berliner Bezirken um 14,7 Prozent gestiegen sind. Zulässig ist für Neuverträge derzeit, bis zu 20 Prozent auf die »ortsübliche Vergleichsmiete« aufzuschlagen. Die SPD und der Mieterbund wollen dies auf zehn Prozent begrenzen. Solche Neuverträge schlagen auch auf Altverträge durch, denn die dürfen nach und nach dem lokalen Mietniveau angeglichen werden. Am Ende zahlen dann alle mehr – wer das nicht kann, muss ausziehen.
Die am weitesten gehenden Vorschläge, diese Entwicklung zu beenden, präsentierte die Linkspartei: »Man darf dem Markt nicht die Situation überlassen«, sagte die wohnungspolitische Sprecherin Heidrun Bluhm. Einmal gestiegene Mieten seien schließlich nicht wieder abzusenken: »Den Status quo kriegen Sie nie wieder weg.« Das sei nur durch gesetzliche Mietgrenzen pro Quadratmeter möglich, »und die waren der Grund, warum die DDR-Wohnungswirtschaft zusammengebrochen ist«. Bluhm will die Mietsteigerungen deshalb auf andere Weise bremsen.
Nicht vermietete Immobilien darf der Besitzer derzeit so luxuriös renovieren, wie er will. Vermietete Immobilien dürfen hingegen nur bis zum »ortsüblichen Standard« renoviert werde. Als »ortsüblich« gilt, womit zwei Drittel aller Wohnungen gleichen Alters in der Region ausgestattet sind. Die Rechnung bezahlen die Mieter. Gut elf Prozent der Kosten dürfen jährlich auf die Kaltmiete draufgeschlagen werden, in neun Jahren haben die Vermieter die Renovierungskosten so wieder drin. Eine 100 000 Euro teure Renovierung einer Drei-Zimmer-Wohnung erhöht die Miete demnach um satte 925 Euro im Monat – für viele unbezahlbar. Ein weiterer Haken: Wenn die Mieter die Renovierungskosten nach den neun Jahren für den Hausbesitzer abgestottert haben, bleibt die Miete so hoch.
»Wir wollen in einem ersten Schritt die Umlage von elf auf fünf Prozent drücken«, sagt Bluhm. Immobilienbesitzer müssten dann 20 statt bisher neun Jahre warten, bis sie ihre Investitionen ausgeglichen haben. Danach müsse die Miete wieder auf das alte Niveau zurückfallen. »Wer auch mit der fünfprozentigen Umlage überfordert ist, weil er dadurch mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens fürs Wohnen ausgeben muss, soll entsprechend mehr Wohngeld bekommen«, fordert Bluhm. Sie schätzt, dass sich die Zahl der Wohngeldberechtigten – derzeit rund 770 000 – dadurch verdoppeln würde. Wie viel das den Staat kosten würde, sei vorab nicht kalkulierbar. Den Vorwurf, so mit öffentlichen Geldern private Investitionen abzubezahlen, will sie nicht gelten lassen. »Das ist nur eine Sofortmaßnahme«, sagt sie. Dauerhaft sollten Kriterien dafür entwickelt werden, welche Art von Renovierung überhaupt zulässig sei: »Energetische Sanierung, Barrierefreiheit oder der Einbau von Fahrstühlen sind sicherlich sinnvoll. Aber muss es ein Echtholzparkett sein?«
Doch Mieten steigen nicht nur nach Renovierungen. Verträge für sogenannte Staffelmieten enthalten von vornherein eine jährliche Steigerungsrate, sogenannte Indexmieten dürfen nach und nach an den lokalen Mietspiegel angepasst werden. In beiden Fällen gilt eine Grenze von 20 Prozent innerhalb von drei Jahren. »Wir wollen dies auf den Inflationsausgleich beschränken«, sagt Blum. Würde dies jetzt schon gelten, hätten Mieten zwischen 2009 und 2012 insgesamt nur um etwa 5,4 Prozent angehoben werden dürfen.

Der Deutsche Mieterbund hält Bluhms Idee jedoch für verfassungswidrig. Sprecher Ulrich Ropertz meint, eine solche Regulierung passe »nicht in unser Wirtschaftssystem«. Der Staat würde schließlich »auch Bäckern nicht vorschreiben, wie teuer ihre Brötchen sein dürfen«. Laut Ropertz macht die »energetische Sanierung« den entscheidenden Anteil des Problems aus und, ja, es sei wahr, »dass man Mieter herausmodernisieren kann«. Dem Mieterbund schwebt deshalb ein System vor, dass die Höhe der Umlage zwar reduziert, dabei aber »an den Erfolg koppelt, der für die Mieter rauskommt«, sagt Ropertz. »Wenn die Modernisierung zu niedrigeren Heizkosten führt, dürfen die Kosten entsprechend umgelegt werden.« Der Berliner Bezirk Pankow hatte kürzlich bestimmte Formen der Modernisierung verboten: Die Zusammenlegung von kleinen Wohnungen zu größeren Einheiten, die Veredelung von Altbauten mit Fußbodenheizungen, zusätzlichen Balkonen oder Kaminen wurde dort unterbunden. »Das halte ich für praktikabel«, sagt Ropertz.
Auch Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) meldete sich zu Wort. Zur Unterstützung von Geringverdienern will er die Höchstgrenzen beim Wohngeld anheben. Zudem will er die 2006 abgeschaffte Eigenheimzulage für Familien mit Kindern »in kleiner kalibrierter Form« wieder einführen. Die Zulage könne wegen knapper Kassen jedoch nicht in der einstigen Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr gewährt werden. Konkrete Zahlen nannte Ramsauer nicht. Ziel sei der Bau von jährlich 250 000 neuen Wohnungen.
Auch über eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus wird diskutiert. »Die Linke« fordert, dass ab sofort 150 000 neue Sozialwohnungen pro Jahr gebaut werden. Ramsauer will den Ländern über 2014 hinaus jährlich 518 Millionen Euro Bundesmittel für sozialen Wohnungsbau zukommen lassen. Der Gentrifizierungsforscher Andrej Holm nennt es hingegen einen »naiven Optimismus«, mit neuen Wohnungen die Mietsteigerungen bremsen zu wollen. »Was als ›Wohnungsfrage‹ diskutiert wird, hat in den allermeisten Städten damit zu tun, dass in bisher preiswerten Wohnungen die Mieten steigen und dies zu Verdrängungseffekten führt. Eine Regulierung im Bestand ist allemal sinnvoller«, sagt Holm. Zweckmäßig sei etwa eine höhere Besteuerung von Immobilieninvestitionen, um den Handel mit Bestandsimmobilien einzudämmen. Lösen werde man das Problem auf diese Weise aber auch nicht: »Es war in den letzten 100 Jahren ein aussichtloser Wettkampf, mit rechtlichen Einhegungen und Subventionen eine soziale Wohnungsversorgung zu sichern. Der Markt findet immer Strategien, um eigene Interessen durchzusetzen.«
Holm plädiert stattdessen für eine »nicht profitorientierte« Wohnungsversorgung, etwa durch Modelle wie Genossenschaften oder Mietshäusersyndikate. Bis in die achtziger Jahre habe es steuerlich begünstigte, große Wohnungsunternehmen gegeben, die sich dem Gemeinnützigkeitsprinzip unterworfen hätten. Der Korruptionsskandal um das Gewerkschaftsunternehmen »Neue Heimat« sei genutzt worden, »um das ganze Prinzip abzuschaffen«. Ein Fehler, findet Holm: »Man müsste auch über eine Steuergesetzgebung nachdenken, die eine Gewinnbeschränkung der Wohnungsgesellschaften honoriert. Was wir brauchen, ist ein substantielles Segment gemeinnützig organisierter Wohnungen.«