Versöhnlich

Der ehemalige Leiter der weißen Todesschwadronen des südafrikanischen Apartheid-Regimes, Eugene de Kock, soll überraschenderweise nach mehr als 20 Jahren Gefängnis auf Bewährung entlassen werden. De Kock ließ Menschen exekutieren und hauptsächlich schwarze Anti-Apartheids-Kämpfer des African National Congress (ANC) inhaftieren. Dafür wurde er 1994 angeklagt und zwei Jahre später zu zweimal lebenslänglich und 212 Jahren Gefängnis verurteilt. Während seiner Haft machte er umfangreiche Aussagen über das Vorgehen der weißen Todesschwadronen und belastete einige führende Politiker des Regimes, darunter Frederik Willem de Klerk. De Klerk war Präsident und ist Träger des Friedensnobelpreises. De Kock berichtete davon, dass er gegen Ende der Apartheid mit seiner Einheit dafür eingesetzt worden sei, die von Nelson Mandela und seiner Partei ANC eingeleiteten Gespräche zwischen den Bevölkerungsgruppen zu sabotieren. Allein dieser Konflikt forderte mehr als 15 000 Opfer.
Der Grund für die Begnadigung de Kocks sei der Wunsch nach Versöhnung und Staatsbildung, wie Südafrikas Justizminister vergangene Woche mitteilte. Außerdem habe de Kock durch seine Aussagen maßgeblich zur Aufklärung und Verurteilung von Tätern beigetragen. De Kock hat sich nach Angaben von The Independent mit Angehörigen einiger seiner Opfer zu einem Gespräch über Schuld und Vergebung getroffen. Einige Hinterbliebene haben ihm inzwischen vergeben, doch es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des Justizministers, de Kock freizulassen, so klug war und nicht wieder zu Spannungen führt. Zwar ist die Apartheid längst überwunden, doch die soziale Ungleichheit zwischen weißen und schwarzen Südafrikanern und das Ausmaß an täglicher Gewalt bleiben enorm hoch.
Auch innerhalb der armen schwarzen Bevölkerung nehmen die Konflikte zu. Immer wieder kommt es in Townships zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Migrantinnen und Migranten aus anderen afrikanischen Ländern und Asien, wie jüngst in Johannesburg. Vielleicht ist diese Gewalt auch eine Fortsetzung des Ausgrenzungsdenkens der Apartheid gegen die nächstschwächere Bevölkerungsgruppe. Ob die Begnadigung eines historisch so belasteten Typen und Massenmörders wie de Kock wirklich dazu beitragen kann, solche mentalen Muster zu überwinden, ist fraglich.