In Israel ist ein Präventivschlag gegen iranische Nuklearanlagen gemäß der Begin-Doktrin umstritten

Dem Feind zuvorkommen

Seite 2 – Kombinierte Angriffs- und Verteidigungsdoktrin
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In Israel gibt es nicht wenige Minister, die der Begin-Doktrin kritisch gegenüberstehen. Sie propagieren eine kombinierte Angriffs- und Verteidigungsdoktrin. Ein praktisches Beispiel, für diese abgeänderte Doktrin, ist der ­Raketenabwehrschild, der alles von ballistischen Shehab- und Scud-Raketen aus dem Iran und Syrien bis hin zu den tieferfliegenden Katjuscha- und Qassam-Raketen der Hizbollah und der Hamas abfangen soll. Der ehemalige israelische General Shlomo Brom argumentiert, dass Israels Verteidigung ausgeweitet und vielleicht sogar zum vermuteten atomaren Arsenal des ­Landes offener Stellung bezogen werden könnte. Er setzt auf gegenseitige Abschreckung. Auch weist er die Ansicht zurück, dass die Bombardierung des irakischen Reaktors einen Präzedenzfall für einen möglichen israelischen Angriff auf den Iran geschaffen habe. »Die Entscheidung in Jerusalem, keine militärischen Aktionen gegen mutmaßliche Chemiewaffenprogramme in ­Syrien und im Irak durchzuführen, hat bereits die Begin-Doktrin unterminiert,« so Brom während eines Vortrags am Institute for National Security Studies an der Universität von Tel Aviv im September 2011.

Durch den Krieg in Syrien, wo der Iran mit massiver Unterstützung präsent ist, rückt die Bedrohung für Israel immer näher. Der Iran will neben der Hizbollah, die im Libanon operiert, eine weitere Front zum jüdischen Staat eröffnen. Zudem arbeitet der Iran weiter am Atomwaffenprogramm. Anhänger des »Gleichgewichts des Schreckens«, auch bekannt als MAD-Doktrin (mutual assured destruction), sehen die iranischen Führer trotz ihrer islamistischen Rhetorik als rationale Akteure und ­gehen davon aus, dass sie wissen, dass Israel Massenvernichtungswaffen hat, mit denen es auf einen nuklearen Angriff reagieren könnte. Falls die Aya­tollahs Atomwaffen herstellen, gäbe es aber, abgesehen von deren Einsatz, auch andere Gefahren, wie Chuck Freilich, ein ehemaliger stellvertretender nationaler Sicherheitsberater Israels, in einem Vortrag am ISGAP-Center in New York im April 2015 darlegte: »Selbst wenn es unwahrscheinlich ist, dass sie eine Atombombe auf den jüdischen Staat abfeuern, würde die bloße theoretische Möglichkeit dieses Ereignisses die iranischen Verbündeten an Israels Grenzen, also die Hamas und Hizbollah, drastisch er­mutigen.« Sollte das iranische Regime zur Atommacht aufsteigen, würde das Israels Handlungs­spielraum in Gaza sowie im Libanon und Syrien einschränken, so Freilich.

Der Iran allein ist jedoch nicht das Hauptproblem. Sollte er in der Lage sein, eine Atombombe zu bauen, könnte es zu einem Wettrüsten in der Region kommen, besonders durch die sunnitischen Staaten wie die Türkei, Ägypten und vor allem Saudi-Arabien, dem Rivalen Irans. Dies würde die Region weiter destabilisieren.

Israel müsste seine Verteidigungsstrategie dann erneut anpassen. Sollte es weiterhin in seiner Existenz akut ­bedroht werden, wird aber höchstwahrscheinlich keine Regierung zögern, ­einen Präventivschlag gemäß der Begin-Doktrin gemäß einen Präventivschlag zu führen. Denn wie bereits der erste Ministerpräsident David Ben-Gurion kurz nach der Gründung Israels sagte: »Wir haben die Überlebenden des ­Holocausts nicht hierhergebracht, damit sie einen weiteren erleben.«