Illegal, legal, scheißegal
»Die innere Entwicklung der Bundesrepublik im Sinne einer lebendigen Demokratie kann durch eine legale Kommunistische Partei nur gewinnen«, hieß es in einer am 26. September 1968 herausgegebenen Presseerklärung der »Initiativgruppe für die Wiedergründung der KPD«. Am Tag zuvor hatte sich die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) in Frankfurt am Main offiziell konstituiert.
Zwölf Jahre zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten. Die Gründung der DKP stellte den Versuch dar, ihrem Umfeld in Westdeutschland wieder eine legale Organisationsstruktur zu ermöglichen. Unter den K-Parteien und -Gruppen nahm die DKP lange Zeit in vielerlei Hinsicht eine Sonderrolle ein, im Gegensatz zu heute, wo sie lediglich eine der unbedeutenden Kleinstparteien mit kommunistischem Anspruch ist.
Während nach 1968 aus der Neuen Linken eine Vielzahl von K-Parteien entstand – von der KPD/ML bis zum Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) –, kamen die meisten Gründungsmitglieder der DKP aus dem Umfeld der 1956 verbotenen KPD. Die neu gegründete Partei wurde von der DDR finanziell und ideologisch unterstützt. Daher war sie gerade auch vielen aus der sogenannten Neuen Linken suspekt. Das Verhältnis zwischen der DKP und den der DDR-Führung unliebsamen maoistischen K-Gruppen war häufig ausgesprochen feindselig.
Des Weiteren begrüßte die Bundesregierung die Gründung der DKP beziehungsweise die faktische Aufhebung des Verbots der KPD ausdrücklich. Im Gegenzug machte die DKP ideologische Zugeständnisse, die Bernd Rabehl, damals einer der führenden Köpfe der Studentenbewegung, als »Revisionismus« geißelte. Eine »zweite SPD« nannte er die Partei abschätzig.
Die SPD hatte nicht zuletzt mit ihrem ab 1965 propagierten Konzept der neuen Ostpolitik den Boden für die Neugründung der KPD unter dem Namen DKP bereitet. Die DDR pochte zudem seit den sechziger Jahren vehement auf eine Wiederzulassung einer kommunistischen Partei als Grundlage für eine Annäherung beider deutscher Staaten.
Die Gründung der DKP war von Beginn an eine zwiespältige Sache. Einerseits höhlte die damalige Bundesregierung partiell das geltende Parteiverbot aus – wenn auch nur halbherzig, da die von individuellen Folgen Betroffenen nicht rehabilitiert wurden. Andererseits instrumentalisierte man die Neugründung für die bundesrepublikanische Politik der Annäherung.
Der Gründung der DKP, an der maßgeblich ehemalige KPD-Funktionäre und Mitglieder der illegalen KPD beteiligt waren, gingen ausgiebige Gespräche mit dem Bundesjustizministerium und der Bundesregierung voran. Vorab wurde abgeklärt, inwieweit die Wiederzulassung möglich wäre, da das Verbot der KPD sowohl das Verbot ihr nahestehender als auch nachfolgender Organisationen beinhaltete. Zu den Zugeständnissen der ehemaligen KPD-Mitglieder gehörte unter anderem der Verzicht auf klassische marxistisch-leninistische Formulierungen wie »Diktatur des Proletariats« und »demokratischer Zentralismus«. Mit dem politischen Ziel der Partei, eine »Diktatur des Proletariats« zu errichten, hatte unter anderem das Bundesverfassungsgericht das Verbot der KPD begründet. Deshalb wurde aus der »Diktatur des Proletariats«, einer von Karl Marx und Friedrich Engels nie wirklich inhaltlich gefüllten Phrase, die »sozialistische Umgestaltung«. Aus »demokratischer Zentralismus« wurden »demokratische Prinzipien«. Inhaltlich orientierte sich die DKP weitgehend an den Beschlüssen des XX. Parteitags der KPdSU, der die friedliche Koexistenz zwischen den Systemen postuliert hatte. Die KPdSU und die SED waren bis zum Mauerfall die beiden wichtigsten Bruderparteien der DKP. Sie richtete sich nach deren Politik und trat als deren Sprachrohr in der Bundesrepublik auf. Diese Orientierung beinhaltete den steten Kampf gegen den »Eurokomunismus« – unter diesem Markenzeichen begannen sich in den siebziger Jahren einflussreiche kommunistische Parteien wie die italienische PCI von der Sowjetunion zu distanzieren.
Maßgeblich für diese Distanzierung war der Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag im August 1968, ein Ereignis, dass dem Gründungstag der DKP nur um wenige Wochen vorausging.
Die Gründung der DKP war von Beginn an eine zwiespältige Sache. Einerseits höhlte die damalige Bundesregierung partiell das geltende Parteiverbot aus – wenn auch nur halbherzig, da die von individuellen Folgen Betroffenen nicht rehabilitiert wurden. Andererseits instrumentalisierte man die Neugründung für die bundesrepublikanische Politik der Annäherung. Der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) erklärte 1969: »Sie wissen, dass im Grunde die Tolerierung der DKP eine Umgehung des Verbots der KPD ist.«
Die illegale KPD und die aus ihr hervorgegangene DKP setzten weiterhin auf eine Doppelstrategie: Einerseits sollte die DKP die Politik der Vorgängerpartei fortführen, anderseits wurde stets die Forderung aufrechterhalten, das Verbot der KPD endgültig aufzuheben. In einer DKP-Publikation zum KPD-Verbot von 1971 heißt es: »Der Hinweis von Regierungsstellen, dass es ja eine neukonstituierte Kommunistische Partei – die DKP – gebe, ist lediglich ein Vorwand für das Festhalten am Verbot der KPD.« Vor allem sei die Aufrechterhaltung des Verbots der KPD »ein Damoklesschwert«, das ständig über der DKP schwebe. Die DKP selbst wurde stets vom Verfassungsschutz überwacht, mehrfach stand ein Verbotsverfahren gegen sie zur Debatte.
In den siebziger Jahren wurden in der DDR zeitweilig 200 DKP-Kader zu Saboteuren (»Gruppe Ralf Forster«) ausgebildet. Die Kritiker der Partei sahen sich dadurch in ihrer Ansicht bestätigt, die Partei sei eine Bedrohung der bundesrepublikanischen Demokratie. Aus heutiger Sicht war diese Bedrohung sicherlich immer nur klein. Auch der Einfluß der von der Partei nahestenden Organisationen blieb stets gering. Die DKP erreichte nie die Mitgliederzahlen der 1956 verbotenen KPD.
Die sich mit Perestrojka und Glasnost abzeichnende Wende in der Sowjetunion, die die DKP immer ablehnte, zeigte sich auch in der Entwicklung der Mitgliederzahl. Bereits kurz vor der Wende verlor die Partei enorm an Mitgliedern – alleine in Hamburg soll ein Viertel der Mitglieder ausgetreten sein.
Die Wiedervereinigung besiegelte die Bedeutungslosigkeit der Partei – und das eigentlich Erstaunliche ist, dass es sie heute überhaupt noch gibt. Denn zum einen fiel ein wichtiger Geldgeber in Form der SED weg – die zahlte, wie der Deutschlandfunk berichtet, noch 1989 immerhin 75 Millionen D-Mark. Etwa 500 hauptamtliche Funktionäre mussten entlassen werden. Zum anderen trat die aus der SED hervorgegangene PDS auch noch als Partei links von SPD und Grünen in ein direktes Konkurrenzverhältnis zur DKP. Auch partielle Kooperationen über Linke Listen oder Wahlaufrufe konnten dies nicht übertünchen.
Zwischen 1978 und 2017 hat sich die Mitgliederzahl der Partei von 42 000 auf etwa 3 000 bundesweit reduziert.
Darüber hinaus leidet die DKP an der Überalterung ihrer Mitglieder. Bei den jüngsten Bundestagswahlen kam die Partei nicht über den Promillebereich der abgegebenen Stimmen hinaus, obwohl die Partei sich neuen Themen öffnete, seit 2006 auch eine Gruppe namens »DKP Queer« betreibt und immer noch über eine formell unabhängige Jugendgruppe, die 1968 gegründete Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) mit rund 750 Mitgliedern, verfügt.
Wenn die Partei nun 50 Jahre alt wird – womit sie noch weitaus jünger ist als ein Großteil ihrer Mitglieder –, hat sie wenig zu feiern. Die besten Jahre liegen weit hinter ihr, sie ist zu einem Fossil innerhalb des Parteiwesens geworden.
Ein Trost ist da noch, dass man die mitgliederstärkste unter den kommunistischen Splitterparteien ist – getreu der Zeile aus der Internationale »Wir sind die stärkste der Partei’n« – und dass die Mitgliederzahl seit einiger Zeit stagniert, statt weiter zu sinken.