Ein historischer Abriss über die Beichte

Von der Sünde verwundet

Wenn Menschen ihr Fehlverhalten eingestehen sollen, geht es nicht allein um Kontrolle, sondern auch um Gewissenserforschung. Die wäre auch für Linke angebracht.

Das Gebot erscheint simpel. »Leget die Lüge ab und redet die Wahrheit«, fordert Paulus im Brief an die Epheser. Wer lügt, sagt bewusst die Unwahrheit, um sich einen Vorteil zu verschaffen oder unangenehmen Konsequenzen seiner Handlungen zu entgehen. Doch so einfach ist es nicht, denn häufig belügen Menschen zunächst einmal sich selbst. Der Mensch kann »alles für gut und wahr« halten, »was einem jeweils praktische Vorteile bringt«, schreibt Egon Friedell in seiner »Kulturgeschichte der Neuzeit«. Wenn »etwas unangenehm ist, so beschließt er (in seinem Unterbewusstsein natürlich), es zur Sünde oder Unwahrheit zu erklären«.

Friedell, ein origineller Denker, aber auch ein verschrobener Reaktionär, schrieb diese Fähigkeit vornehmlich »dem Engländer« zu. Unweigerlich denkt man da an Boris Johnson. Gut möglich, dass der sich in der sogenannten Partygate-Affäre unschuldig fühlt, weil er der Ansicht ist, als Angehöriger der Oberschicht und als Premierminister sei er der Verpflichtung enthoben gewesen, sich an die Lockdown-Regeln zu halten, da diese ja allein dazu dienten, die unteren Klassen im Zaum zu halten.

Es wäre ein guter Anfang, anzuerkennen, dass die Haltung, die man als Linker einnimmt, nicht allein vom Klassenstandpunkt, von Marx oder Adorno, sondern auch von persönlichen Motiven geprägt wird.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::