Wie eine junge Yezidin gegen Ehrenmorde kämpft

Um mein Leben

»Alles, was ich tue, mache ich, um meiner Cousine nahe zu sein.« Azadiyas Cousine wird von deren Vater ermordet, weil sie ein selbstbestimmtes Leben führen will. Nach dem Ehrenmord erkennt Azadiya, dass sie ihr Leben verändern muss, um frei zu werden: als yezidische Kurdin in Deutschland, die in eine streng gefügte Gemeinschaft hineingeboren wurde; als Lesbe; als Frau, die studieren, reisen und Fußball spielen will. Jahre später verlässt Azadiya ihre Familie. Im Gespräch mit Koschka Linkerhand berichtet sie von ihren Erfahrungen und dem Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und Ehrenmorde.
Imprint

Azadiya

Schon nach meiner Flucht von zu Hause wollte ich mich Azadiya nennen: von azadî, dem kurdischen Wort für Freiheit. Das sollte mein Schutzname sein. Aber das Jugendamt sagte, ein kurdischer Name wäre kein guter Schutz.

Azadî ist ein männliches Wort, Azadiya ist weiblich. Das passt zu mir: Freiheit und Frauen. Gerade stehe ich in Kontakt mit einer jungen Frau, die auch von zu Hause weggehen will. Am Montag nach der Arbeit fahre ich sie in ein Frauenhaus, 300 Kilometer von ihrer Stadt entfernt. Eigentlich wollte sie mit dem Zug fahren, aber die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses meinten, mit dem Auto sei es sicherer. In meine erste Schutzeinrichtung, die mehrere Hundert Kilometer entfernt lag, wurde ich auch mit dem Auto gefahren.

Damals war ich unglaublich einsam und allein. Jetzt helfe ich anderen Frauen, die mich meistens über In­stagram anschreiben. Ich erzähle meine Geschichte und rede mit ihnen, und manche fahre ich quer durchs Land. Nach drei Monaten mit Führerschein und eigenem Auto bin ich schon über 7 000 Kilometer gefahren. Später will ich selbst eine Einrichtung aufbauen, um Frauen und Mädchen zu helfen. Das ist mein Traum. Erst gehe ich in die Schweiz, um Geld zu verdienen, und dann gründe ich mein Schutzhaus. Es soll Azadiya heißen, wie ich in diesem Buch.

Meine Cousine wurde Opfer eines Ehrenmords, weil sie ein freies Leben führen wollte. Ihre Familie – unsere Familie – hat sie ermordet. Ich habe überlebt, weil ich nach dem Mord gegangen bin und als Angehörige unserer Familie Unterstützung bekommen habe.

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