Gereon Klugs neues Buch »Die Nachteile von Menschen« steht auf der Leseliste ganz weit oben

Männliche Blicke, feministische Adern und die verdammte Orgel

Popkolumne. Gereon Klug bei Ventil, Annie Ernaux auf der Bühne und der »male gaze« bei Arte.
Die Summens Von

»Die Nachteile von Menschen. 132 Beschädigungen aus dem reflektieren Leben« heißt die neueste im Ventil-Verlag erschienene Textsammlung von Gereon Klug, Wegbegleiter des Trios Studio Braun. Es ist eine Art Glossensammlung, die auch seine Texte für die Zeit beinhaltet. Seine dortige Kolumne wurde wegen Humorlosigkeit der Leserschaft leider eingestellt. Ansonsten finden sich in dem Band viele Texte aus seinen Newslettern für den Plattenladen Hanseplatte aus Hamburg. Eine kleine Leseprobe gefällig? »DAFT PUNK: Arg limitierte feministische Ader. THE DOORS: Die verdammte Orgel. Selbst Jesus hatte keine.« Gereon Klug ist und bleibt die überraschende Single-B-Seite der deutschen Literatur.

Vom Nachteil, als Frau geboren zu sein, erzählt das großartige Einpersonenstück »Erinnerungen eines Mädchens« an der Schaubühne Berlin. Unter der Regie von Sarah Kohm nähert sich Schauspielerin Veronika Bachfischer Annie Ernaux’ autobiographischem Text von einer persönlichen Warte aus an. Mittels einer Perücke schlüpft sie dann in die Rolle der blutjungen Annie, die in einem Fe­rienlager 1958 vergewaltigt und gedemütigt wird, ohne dass ihr damals klar geworden wäre, was mit ihr ­geschieht. Erst im Rückblick begreift Ernaux, wie sie sich damals von sich selbst entfremdet hat, indem sie ihren Körper und ihr Begehren ahnungslos dem Patriarchat untergeordnet hat. Die grandiose Inszenierung dieses Stoffes geht wahrlich unter die Haut.

Auch interessant ist die Arte-Dokumentation »Brainwashed – Sexismus im Kino«. Nina Menkes erkundet darin den männlichen Blick im Film. Weibliche Körper werden im Kino seit über 100 Jahren objektifiziert und sexualisiert – mit folgenschweren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Auch feministische Filmemacherinnen wie Sofia Coppola sind vor dieser Gehirnwäsche nicht gefeit. Die Einführungsszene von »Lost in Translation« (2003), in der genüsslich über den durchsichtigen Schlüpfer von Scarlett Johansson geschwenkt wird, ist nur eines von vielen Filmbeispielen, mit der Menkes die fatalen Zusammenhänge ­erklärt: Der »male gaze«, der sich insbesondere im Framing und der Lichtsetzung zeigt, fördert die Diskriminierung von Frauen in der Film­industrie, die verzerrte Wahrnehmung von Frauen in der Gesellschaft und letztlich die rape culture.