Die Geschichte des deutschen Frauenfußballs

Frauen am Ball

Aus Sicht des Deutschen Fußball-Bunds beginnt die Geschichte des Frauenfußballs erst 1970 – mit dem Ende des Verbots, das der Verband verhängt hatte. Doch Frauen spielten auch vorher schon Fußball.

Im Oktober 2020 beging der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ein Jubiläum, das es so gar nicht gab: Der Verband feierte »50 Jahre Frauenfußball«. Mit Themenwoche, Porträts und Anekdoten aus vergangenen Jahrzehnten. Das Problem dabei: Die Feierei ist mit »geschichtsvergessen« noch freundlich beschrieben. Mit dem falschen Jubiläum suggeriert der Verband, es hätte in Deutschland vor 1970 keine kickenden Frauen gegeben. Die Wahrheit sieht anders aus. Was sich 2020 zum 50. Mal jährte, war das Ende einer Verbotsphase innerhalb des DFB, wie es sie so ähnlich in vielen anderen nationalen Verbänden gegeben hatte. Allein die Tatsache, dass den Frauen der Fußball innerhalb des Verbandes 1955 verboten wurde, zeigt: Es hat ihn ­natürlich schon vorher gegeben.

Lange ging man hierzulande davon aus, es sei Charlotte »Lotte« Specht gewesen, die 1930 den ersten Fußballverein für Frauen gründete. Für ihren 1. Deutschen Damenfußballclub suchte die im Frankfurter Gallusviertel aufgewachsene Specht Spielerinnen per Zeitungsannonce. Rund 35 Frauen gründeten dann gemeinsam den Verein. Die Pionierin sagte später: »Meine Idee, die kam nicht nur aus der Liebe zum Fußballsport, sondern vor allen Dingen frauenrechtlerisch. Ich habe gesagt, was die Männer können, können wir auch.« Fußball, das war für Frauen von Anfang an auch emanzipatorischer Teilhabekampf – und als solcher feministisch bedeutsam.
Spechts Verein überlebte jedoch nur etwa ein Jahr. Die Frauen hatten mit herben Anfeindungen zu kämpfen, zudem fehlten ihnen andere Vereine als Gegnerinnen. Die Männer wollten nicht gegen sie antreten. Der DFB lehnte den Aufnahmeantrag des 1. DDFC ab und verweigerte ihm die Unterstützung.

Der 2022 verstorbene Historiker Harald Lönnecker präsentierte bei einer Konferenz 2011 neue Erkenntnisse zur Geschichte des mannschaftlich organisierten Fußballs der Frauen. Demnach haben Frauen womöglich bereits vor Beginn des Ersten Weltkriegs, mindestens aber seit Beginn der 1920er Jahre organisiert Fußball gespielt. Es waren Studentinnenverbindungen, die an ihren Universitäten Spiele ausrichteten. Auch dort stießen die Frauen aber auf Widerstände: Akademikerinnen in kurzen Hosen wurden als anstößig empfunden und ihr Auftreten wurde abfällig kommentiert.

Edinburgh Ladies gegen Paton and Baldwins Ltd FC, Edinburgh Gymnasium, 1937

Auch im Vereinigten Königreich war es ein langer Kampf: Wollten britische Frauen Fußball spielen, mussten sie nach 1921 auf Plätze ausweichen, die nicht zur Football Association (FA) gehörten. Hier spielen die Edinburgh Ladies gegen Paton and Baldwins Ltd FC, Edinburgh Gymnasium, 1937

Bild:
picture alliance / empics | SMG

Nach wie vor steht die Forschung zur Geschichte des Frauenfußballs ziemlich am Anfang und ist in Teilen eine Arbeit der Zufallsfunde. Sich das vor Augen zu halten, ist ebenso wichtig wie die Tatsache, dass Frauen sich in und mit ihrem Sport nicht so frei entwickeln konnten wie Männer, da ihre Stellung in der Gesellschaft das nicht hergab. Mit der Gründung der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gleichstellung von Mann und Frau erneut gesetzlich festgeschrieben – auch in der Weimarer Republik war das bereits in der Verfassung verankert. In der Praxis dauert der Kampf um faktische Gleichstellung bis heute an. Das hat auch Auswirkungen im Fußball.

Nach Kriegsende nahmen die Frauen das Spiel wieder auf, hatten aber mit großen Widerständen zu kämpfen und bekamen häufig Spott zu spüren. Als beispielsweise 1951 das Spiel zweier Frauenteams auf dem Sportplatz von Rot-Weiß Oberhausen ausgetragen wurde, entschuldigte sich der Vorstand hinterher, das Gelände sei »irrtümlich« zur Verfügung gestellt worden. Man distanziere sich »von dieser Art Sport, die auf einen Rummelplatz gehört« und »mit den wahren Zielen des Sportgedankens nichts zu tun hat«.

Der nach dem Krieg, im Januar 1950, offiziell wiedergegründete DFB trat 1954 dem europäischen Fußballverband Uefa bei. Ein Jahr später erließ der Verband, der zuvor schon die körperliche Eignung der Frauen für den Sport diskutiert und eine Verkürzung der Spielzeit in Betracht gezogen hatte, das sogenannte Frauenfußball-Verbot. Konkret hieß das: Vereine, die im DFB organisiert waren, durften keine entsprechenden Abteilungen betreiben und ihre Plätze nicht für Frauenteams zur Verfügung stellen. Zudem war es DFB-Schiedsrichtern verboten, Spiele von Frauen zu pfeifen.

»Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden.« Deutscher Fußballverband, 1955

Für das Verbot sprachen aus Sicht der Funktionäre »grundsätzliche ­Erwägungen« ebenso wie »ästhetische Gründe«, zudem wurden ­mögliche Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit der spielenden Frauen diskutiert. Weiter hieß es: »Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden.« Zwar argumentierten schon seinerzeit einige Mediziner:innen gegen diese Begründungen, es gab aber auch Zuspruch, von dem den niederländischen Psychologen Frederik J. J. Buytendijk, der behauptete, es sei »nicht weiblich«, (nach einem Ball) zu treten.

Die Entscheidung des Verbands platzte mitten hinein in einen durch den WM-Sieg der Männermannschaft der BRD 1954 ausgelösten allgemeinen Boom in Sachen Fußball. Wohl auch deshalb kam es den Frauen gar nicht in den Sinn, sich ihren Sport verbieten zu lassen. Sie kickten nicht nur weiter, sondern begannen, parallele Strukturen zu entwickeln. Ab Mitte der fünfziger Jahre gab es sogar zwei Verbände, die den Fußball der Frauen organisierten: den Westdeutschen Damen-Fußball-Verband und die Deutsche Damen-Fußballvereinigung. Das erste Länderspiel am 23. September 1956 gewannen die Deutschen in Essen vor rund 18.000 Zuschauer:innen gegen eine Auswahl der Niederlande mit 2:1. Insgesamt bestritten die Verbände bis Mitte der sechziger Jahre rund 220 Länderspiele.

Interessant sind Medienberichte aus dieser Zeit über Frauen am Ball. Vielfach sprechen aus ihnen Ablehnung sowie eine Art Argwohn. Doch es gab auch zunehmend Artikel, in denen sachlich die Begeisterung für die Spielerinnen festgehalten wurde und Überlegungen angestellt wurden, dass sich der DFB mit dem Verbot auf reaktionären Abwegen befand. Bereits 1957 forderte die Münchner Abendzeitung vom Verband »Lasst sie doch Fußball spielen!«

Das führte unter anderem dazu, dass Verbandsfunktionäre empörte Schreiben an kommunale Verantwortliche schickten, die in ihren Städten Spiele trotz des DFB-Verbots zugelassen hatten. In der Folge beschäftigte sich 1957 der Deutsche Städtetag mit der Frage, ob er eine Empfehlung aussprechen solle, keine städ­tischen Sport- und Spielstätten für Fußball der Frauen zur Verfügung zu stellen. Er entschied sich letztlich dagegen.

Nina Lührßen (l.) und ihre Mitspielerinnen von Werder Bremen jubeln am 14. Okober 2023 im Bremer Weserstadion vor 21.508 Zuschauer:innen

Nina Lührßen (l.) und ihre Mitspielerinnen von Werder Bremen jubeln am 14. Okober 2023 im Bremer Weserstadion vor 21.508 Zuschauer:innen

Bild:
picture alliance / foto2press | Oliver Baumgart

Die positive Entwicklung des Sports schien derweil unaufhaltsam voranzuschreiten. Dem Verband blieb er ein Dorn im Auge, doch für seine rückständige Haltung fand der DFB immer weniger Verbündete. Verlass war zunächst noch auf die Verbände anderer Länder. Die englische Football Association hatte den Fußball der Frauen 1921 verboten, doch mit dem WM-Sieg der Männer 1966 und der explosionsartigen Fußballbegeisterung geriet im »Mutterland des Fußballs« das Verbot ins Wanken.

In Deutschland kam das Ende des Verbots am 31. Oktober 1970. Dazu hatte nicht zuletzt ein verändertes Frauenbild beigetragen, entstanden aus der Achtundsechziger-Revolte und der neuen Frauenbewegung. In der DDR waren Frauenteams ab 1968 im Deutschen Fußball-Verband (DFV) organisiert. Ein ausgesprochenes Verbot hatte es dort ohnehin nie gegeben, der Frauenfußball wurde schlicht als Freizeitsportart angesehen, die häufig auf betrieblicher oder kommunaler Ebene organisiert wurde. Der DFB agierte nicht etwa aus Überzeugung, eher versprach man sich, die kickenden Frauen besser kontrollieren zu können, indem man sie unters Verbandsdach holte. Das zeigte sich auch an den Regeln, mit denen die Frauen zunächst belegt wurden: Spiel mit Jugendball, Verbot von Stollenschuhen, Spielzeitbegrenzung auf zweimal 30 Minuten. Der Kampf der Funktionäre gegen das, was man als »unweiblich« empfand, ging also weiter.

So dauerte es nach dem Ende der Verbotszeit noch zwei Jahrzehnte, bis auch für die Frauen eine Bundesliga gegründet wurde; insgesamt entstanden die Strukturen, die im Bereich der Männer damals längst selbstverständlich waren, in jener Zeit nur zögerlich und ohne erkennbaren Antrieb seitens des Verbands. Bis heute hat der DFB keine Verantwortung für die Konsequenzen übernommen, die die Verbotszeit für die Entwicklung im Fußball der Frauen hatte.