Erstaunlich viele »Jungle World«-Kollektivmitglieder haben einen bäuerlichen Hintergrund

Homestory #03/24

Nachdem es vergangene Woche an dieser Stelle um die akademischen Wurzeln der Redaktionsmitglieder ging, werden diesmal überraschend viele Biographien mit bäuerlichem Hintergrund aufgedeckt. Niedliche Kälber, Traktor auf dem Fuß, frische Milch, Schuften bis zum Umfallen - die Erfahrungen im »Jungle World«-Kollektiv sind gemischt.

Mit Blockaden, Traktorkorsos und ähnlichen Spielchen prägen die Landwirte seit Tagen überall in Deutschland das Straßenbild. Zuletzt blockierten laut Polizei etwa 100 Traktoren in verschiedenen Städten die Lager von Amazon, Aldi und Lidl. Zwar geht die Aktionswoche zu Ende, der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, hat allerdings bereits neue Proteste angekündigt, sollte die Bundesregierung nicht von ihren Plänen für Subventionskürzungen absehen. Gleichzeitig erwirtschaftet die Branche dank hoher Lebensmittelpreise derzeit Rekordgewinne, allerdings sind viele bäuerliche Kleinbetriebe bedroht.

Die Verdrängung von landwirtschaftlichen Kleinbetrieben ist keine neue Erscheinung. »Obwohl ich in einem 200-Seelenkaff aufgewachsen bin, gab es in meiner Kindheit bereits keine richtigen Bauernhöfe mehr«, erinnert sich ein Redaktionsmitglied ihrer Lieblingszeitung an seine Kindheit Mitte der neunziger Jahre. »Mir ist als Kind mal ein Trecker übers Bein gefahren«, erzählt eine andere, die ebenfalls auf dem Dorf aufgewachsen ist. Nachhaltigen Groll gegen Landwirte hege sie deshalb jedoch nicht.

Es blieben Erinnerungen an das Schlachten der Hühner, die anschließend noch ohne Kopf herumrannten.

Zwei Redaktionsmitglieder kommen sogar aus »einer richtigen Bauernfamilie«. Die Generation ihrer Eltern habe sich allerdings dafür entschieden, »dem Lifestyle zu entkommen«. Einer der beiden betont, dass vor allem die Frauen der Familie sich den Weg raus aus dem Bauernhof unter harten Konflikten mit den Eltern erkämpft hätten. Er verstehe daher nicht, dass über das Sterben von Höfen gesprochen wird, als wäre das »nur was Schlimmes«. Den Hof hätte man verkaufen können, um sich selbst einen erträglicheren Beruf zu suchen, »wo man drinnen im Trockenen am Schreibtisch sitzt«. Sein Bruder erinnert sich zumindest gerne an die Ponys des Großvaters.

Dieser neue Lebenswandel kam jedoch nicht bei allen aus freien Stücken. Die Mutter eines anderen Kollektivmitglieds hatte in Polen ein Wirtshaus mit Landwirtschaft. Als sie Polen jedoch verlassen wollte, habe sie alles an eine Genossenschaft abtreten müssen und »hatte dann in Deutschland gar nix mehr«. Es blieben nur die Erinnerungen an das Schlachten der Hühner, die anschließend noch ohne Kopf herumgerannt seien.

Auch das Thema Milch kam vor. Während ein Kollektivmitglied gern zum Bauern gegangen ist, um frische Milch zu holen, weil sie dann die Kälbchen habe streicheln dürfen, habe eine andere genau diesen Gang gehasst und aus Rache Geld einbehalten. Ein weiteres Kollektivmitglied erinnert sich an seinen ersten Fabrikjob. Für einige seiner Kollegen sei es nach der Nachtschicht direkt weiter in den Stall gegangen – »was für ein Leben«. Die Nebenerwerbslandwirte mit Schichtarbeit aber seien »sicher nicht die, die mit den Monsterbulldogs hier jetzt rumnerven«.

Eines ist damit jedenfalls gewiss: mit den Protesten kommen die Erinnerungen – positive wie negative.