Auszug aus dem Buch »Liebesmühe« über eine Frau mit Wochenbettdepression

Liebesmühe

Bis zu 20 Prozent der Mütter erleben nach der Geburt ihres Kindes eine sogenannte Wochenbettdepression, die mit Traurigkeit, Panik und ambivalenten Gefühlen gegenüber dem Kind einhergehen kann. Die Kulturwissenschaftlerin und Autorin Christina Wessely widmet sich in ihrem Buch »Liebesmühe« diesem Phänomen in literarisch-essayistischer Weise. Im Kapitel »Zauber des Anfangs« beschreibt sie die Tage und Wochen direkt nach der Geburt, die geprägt sind von Unsicherheit und dem Verlust des zuvor geführten Lebens.
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Schon seit Mai herrscht Badewetter, die Wochen vor der Entbindung hat sie beinahe ausschließlich an Seen, Flüssen und in Schwimmbädern verbracht, im Schatten von Kastanien, in kühlen Zimmern ruhend, an manchen späten Abenden, wenn die Temperaturen erträglich geworden waren, auf den großen freien Plätzen ihrer Heimatstadt. Das Kind sollte in Wien auf die Welt kommen, wo sie in den letzten Zügen der Schwangerschaft noch mit riesigem Bauch in der Alten Donau schwimmen, in den Neustifter Heurigen sitzen und im Prater spazieren konnte und wo für die Zeit danach ihre Eltern da sein würden und die meisten der alten Freunde, die versprochen hatten, vorbeizukommen, wenn das Baby auf der Welt sei, für einen kurzen Plausch und mit Marillenknödeln und Gulaschsuppe im Gepäck.

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