Ministerpräsident ­Robert Fico will das Strafrecht der Slowakei zu seinen Gunsten ändern

Wehe, wenn Čaputová geht

Die slowakische Regierung hat eine Strafrechtsreform durchs Parlament gebracht, von der in erster Linie Unterstützer von Ministerpräsident Fico profitieren würden.

In der Slowakei vollzieht sich derzeit ein schrittweiser Abbau rechtsstaatlicher Regularien nach ungarischem Vorbild. Robert Fico von der populistischen Partei Smer – slovenská sociálna demokracia (Richtung – slowakische Sozial­demokratie), der bereits zum vierten Mal Ministerpräsident des EU- und ­Nato-Mitgliedsstaats ist und dessen engstes politisches Umfeld mutmaßlich vor sechs Jahren in einen Journalistenmord verwickelt war, möchte sich und seine Verbündeten vor der Strafver­folgung schützen und langfristig seine Macht sichern.

Seit Oktober regiert eine Koalition aus der Partei Smer, der populistisch-sozialdemokratischen Partei Hlas (Stimme, eine gemäßigte Abspaltung von Smer) sowie der rechtsextremen Partei Slovenská národná strana (Slowakische Nationalpartei, SNS) das Land. Insgesamt entfallen 79 von 150 Sitzen im Einkammerparlament auf das Regierungsbündnis. Dem Namen nach handelt es sich bei Smer zwar um eine sozialdemokratische Partei, sie und Fico als ihre Galionsfigur vertreten aber populistische und nationalkonservative Positionen.

Die nächste Präsidentschaftswahl ist für den 23. März angesetzt, falls kein Kandidat auf Anhieb die absolute Mehrheit erreicht, soll am 6. April die Stichrunde folgen. Noch hat die progressive parteilose Politikerin Zuzana Čaputová das Amt der Staatspräsidentin inne, erneut antreten will sie jedoch nach Drohungen gegen sie und ihre Familie nicht. Der Fico nahestehende Peter Pellegrini, ebenfalls einstiger Ministerpräsident, hat bereits seine Kandidatur angekündigt. Bevor er seine eigene Partei Hlas gründete, war er fast 20 Jahre lang Smer-Mitglied; nun ist Hlas einer der Koalitionspartner von Smer. Befürchtungen wachsen, dass es die Demokratie noch stärker gefährden könnte, wenn Smer und Hlas die beiden wichtigsten Staatsämter besetzen.

Dass Robert Fico nach seinem Rück­tritt als Ministerpräsident 2018 Abgeordneter im Parlament blieb, gewährte ihm Immunität vor Strafverfolgung.

Ficos Regierung drückt derzeit im Schnellverfahren Änderungen im Strafgesetz durch. Die Justizreform, die das Parlament am 8. Februar billigte, sieht vor, Strafen und Verjährungsfristen für schwere Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung und Korruption zu verkürzen, die Sonderstaatsanwaltschaft abzuschaffen, die in erster Linie zur Ermittlung von Korruption eingesetzt wurde, und den Schutz von Whistle­blowern zu mindern. Die Opposition hält das für einen Versuch, politische und wirtschaftliche Verbündete Ficos vor Strafverfolgung zu schützen. Zehntausende Slowak:innen protestierten gegen die Reform. Die EU-Kommission äußerte Kritik, weil sie die »Gefahr eines nicht wiedergutzumachenden Schadens« sieht, und forderte, die Reform aufzuhalten, bis alle Bedenken aus dem Weg geräumt sind. Andernfalls drohte die EU-Kommission mit der Aussetzung von EU-Mitteln. Čaputová sagte, sie habe die Novelle trotz starker Einwände zwar letztlich unterzeichnet, werde sie aber an das Verfassungsgericht schicken und dort ihre Aussetzung beantragen. Dies würde dem Gericht mehr Zeit für die Überprüfung geben als eine Unterschriftsverweigerung.

Fico musste 2018 als Ministerpräsident zurückzutreten, nachdem es infolge des Auftragsmords am Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová zu Massenprotesten gekommen war. Kuciak hatte zu Verstrickungen von Ficos Regierung mit der italienischen Mafia recherchiert. Im Nachhinein kam ans Licht, dass ranghohe Polizisten, Staatsanwälte und Richter im Sinne von Smer nahestehenden Unternehmern gehandelt haben. Der neue Verteidigungsminister Robert Kaliňák (Smer) war unter Fico von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 Innenminister sowie stellvertretender Ministerpräsident und gehört zu seinem engsten Zirkel. Auch er trat 2018 zurück und soll mutmaßlich mit Fico eine kriminelle Vereinigung gegründet haben.

Die Sonderstaatsanwaltschaft eröffnete 2020 mehr als 100 Verfahren gegen Unternehmer, Mitglieder der Justiz und der Polizei. Auch Fico sah sich mit polizeilichen Anschuldigungen konfrontiert, die später fallengelassen wurden. Dass Fico nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident Abgeordneter im Parlament blieb, gewährte ihm Immunität vor Strafverfolgung.

Fico sorgte im Wahlkampf für die vergangenen Parlamentswahlen international vor allem durch seine pro­russische Haltung für Aufsehen. Damit verbunden waren Befürchtungen, dass er sich mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zusammenschließen und Ukraine-Hilfen der EU blockieren könnte. Es hat sich jedoch in den vergangenen Monaten herauskristallisiert, dass Fico international einen zurückhaltenderen Kurs einschlägt, als seine Rhetorik während des Wahlkampfs vermuten ließ. Bei seinem Besuch in Berlin im Januar sagte er sogar: »Wir wollen der Ukraine helfen. Wir sind dafür, dass die Ukraine der EU beitritt.«

Innenpolitisch vertritt Fico einen nationalkonservativen Populismus, er fiel in der Vergangenheit mit der Verbreitung von Verschwörungsmythen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pan­demie und Hetze gegen ethnische und sexuelle Minderheiten auf.

Am 24. Januar traf er erstmals den ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal in der an die Slowakei grenzenden Stadt Uschhorod in der ukrainischen Oblast Transkarpatien. Dort erklärten die beiden in einem Abschlussdokument, dass beide Länder zu einer weiteren Zusammenarbeit bereit seien, um die territoriale Inte­grität und Souveränität der Ukraine wiederherzustellen. Beim EU-Sonder­gipfel am 1. Februar stimmten sowohl Orbán als auch Fico für das neue 50-Milliarden-Euro-Hilfspaket für die Ukraine. Die Kompromissbereitschaft des slowakischen Ministerpräsidenten widerspricht seinen früheren Aussagen, etwa dass die Ukraine »kein unabhängiges und souveränes Land« sei und nicht Russland, sondern »ukrainische Nazis« den Krieg begonnen hätten.

Innenpolitisch vertritt Fico einen nationalkonservativen Populismus, er fiel in der Vergangenheit mit der Verbreitung von Verschwörungsmythen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pan­demie und Hetze gegen ethnische und sexuelle Minderheiten auf. So wurde Fico von der slowakischen NGO Inštitút ľudských práv (Institut für Menschenrechte, ILP) mehrfach für den Negativpreis »Homophober des Jahres« nominiert. Der ILP-Direktor Peter Weisen­bacher, der auch der Mitgründer der slowakischen Gay Pride ist, sagte der ­Jungle World zur Entwicklung im Land: »Die Sympathie der Regierung für Putins Regime ist spürbar. Vereinfacht gesagt versucht Róbert Fico, dem ungarischen Viktor Orbán nachzueifern, und er scheut sich nicht, dies öffentlich zuzugeben.« Es sei wahrscheinlich, dass in naher Zukunft weitere Änderungen folgen, nämlich die Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender, weil Teile der Regierung sie in »staatsgelenkte Rundfunkanstalten« umwandeln wollten.

»Weitere Angriffe auf die journalistische Unabhängigkeit und die Pressefreiheit sind ebenso wahrscheinlich wie Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz«, so Weisenbacher. Er verweist auch auf Forderungen einiger Regierungsmitglieder nach der Streichung von Mitteln für NGOs wie dem ILP. Was man bisher gesehen habe, sei aber »nichts im Vergleich zu dem, was nach der Präsidentschaftswahl im März passieren wird«.