Privatpersonen und NGOs bauen in der Ukraine Kampfdrohnen

Löten für den Luftkrieg

Im Krieg gegen Russland gewinnen ferngesteuerte Drohnen immer mehr an Bedeutung für die ukrainische Armee. Zahlreiche private Initiativen stellen Drohnen im Selbstbauverfahren her.

Kiew. »Drohnen sind heute das wichtigste Aufklärungsinstrument. Wo früher Aufklärer zu Fuß unterwegs waren und dabei ihr Leben riskierten, fliegen heute Drohnen«, erklärt der Soldat mit dem Kampfnamen Salam der Jungle World die Rolle der unbemannten Luftfahrzeuge. Salam ist belarussischer Anarchist und kämpft in der ukrainischen Armee. Neben der Aufklärung fliegen die Drohnen aber auch Angriffe – auf beiden Seiten der Front. Die Bandbreite der Drohentypen reiche dabei »von den kleinen und billigen, aber nicht weniger tödlichen FPV-Drohnen bis hin zu den riesigen Shaheds, die unser Feind über friedliche Städte schickt«, sagt Salam.

FPV steht für first-person view, also die Sicht aus der Ich-Perspektive: Die kleinen Drohnen werden mit einer Kamera versehen und von einer Person am Boden ferngesteuert. Sie können eingesetzt werden, um Stellungen ausfindig zu machen und zu überwachen, sie können aber auch kleine Bomben abwerfen oder als Kamikazedrohne mit Sprengladung versehen werden. Salam sagt: »Jeden Tag wird die Zahl der Drohnen im Krieg größer und größer. Die russischen FPVs sind nicht nur tagsüber eine Bedrohung für uns, sondern auch in der Nacht. Die Ukraine versucht, nicht hinterherzuhinken, und Hunderte von selbstorganisierten Teams im ganzen Land sammeln Geld für Drohnen. Man kann mit Sicherheit sagen, dass es die Freiwilligen sind, die das Rückgrat der gesamten Drohnenabwehr bilden.«

»Die Drohnen sind billig, da man die Bauteile auf Aliexpress kauft. Anschließend baut man sie selbst zusammen, verlötet und testet die Drohne.«   Ksenija Kusmytsch vom Projekt »Social Drone«.

Zu diesen Freiwilligen zählt die anarchistische Kiewer Hilfsorganisation Solidarity Collectives. »Wir haben jetzt ein neues Projekt gestartet: Wir möchten FPV-Drohnen zusammenbauen«, erklärt Serhij Mowtschan Jungle World. »Drohnen sind derzeit sehr wichtig, weil die Ukraine nicht genug Unterstützung bekommt. Es fehlt an Artillerie und Munition. Drohnen, vor allem FPV-Drohnen, sind eine Möglichkeit, um mit diesem Mangel umzugehen.«

Tatsächlich fordert der ukrainische Staat Zivilist:innen zur DIY-Drohnenproduktion auf. Der Minister für digitale Transformation, Mychajlo Fedorow, hält Ukrainer:innen dazu an, zu Hause Drohnen für das Militär zusammenzubauen. Er bewarb beispielsweise ein Projekt der NGO Victory Drones, die über das Internet Kurse anbietet, in denen vermittelt wird, wie man eine 7-Zoll-FPV-Drohne selbst baut.

Ksenija Kusmytsch aus Kiew beteiligt sich am Projekt »Social Drone«. »Die Drohnen sind billig, da man die Bauteile auf Aliexpress kauft. Anschließend baut man sie selbst zusammen, verlötet und testet die Drohne. Insgesamt kostet eine solche Drohne etwa 300 US-Dollar und kann einen Panzer zerstören, der Millionen von Dollar kostet. Und dieser Panzer wird danach nicht mehr auf unsere Soldaten schießen«, erklärt sie der Jungle World. Kusmytsch sammelt Spenden, baut davon Drohnen und schickt sie an ihren Freund, der Soldat in der ukrainischen Armee ist.

Ein Problem ist die schwankende Qualität. Der Soldat Nikiforow, der als Drohnenpilot auf der Seite der Ukraine kämpft, ist Russe, sieht sich als »antiautoritärer Linker« und lebt schon lange in der Ukraine. Der Jungle World berichtet er: »Freiwillige helfen beim Kauf von Drohnen, sie setzen auch selbst FPV-Quadrocopter zusammen. Das führt dazu, dass wir mit Drohnen von unterschiedlicher Qualität arbeiten. Das kostet zusätzliche Ressourcen, weil wir jede Drohne überprüfen müssen. Wir hatten schon mehrere Explosionen auf dem Startplatz.«

»Der Staat ruft zum Drohnenbau auf, weil er selbst nicht genug Drohnen für die Armee zur Verfügung stellen kann«, sagt Serhij Mowtschan von Solidarity Collectives. Der Staat verschiebe so seine Verantwortung auf die Bürger:innen. »Aber das ist die Realität und wir wissen, dass die Soldat:innen Drohnen, Drohnendetektoren und Antidrohnenwaffen brauchen. Dieser Krieg wird zunehmend zum Drohnenkrieg.«

Die NGO Solidarity Collectives ist ein internationales Netzwerk mit Hauptsitz in Kiew, die Aktiven stammen aus der Ukraine, Belarus, Russland und der EU. Lager gibt es auch in Deutschland und Polen, man kooperiert mit verschiedenen anderen antiautoritären Hilfsorganisationen. Solidarity Collectives setzt sich aus drei Abteilungen zusammen: einer militärischen, die antiautoritäre, linke und queere Soldat:innen unterstützt, einer humanitären, die jeden Monat Hilfsgüter in frontnahe Gebiete liefert sowie einer Medienabteilung.

»Wir nehmen an vielen Diskussionen und Veranstaltungen teil, versuchen unsere Positionen den Linken und Anarchist:innen in Europa und der ganzen Welt zu erklären,« meint Mowtschan. Das sei manchmal ziemlich mühsam: »Viele verstehen unsere Lage nicht. Es gibt viele dogmatische Leute. Wir finden, dass das eine reine imperialistische Invasion ist und sich Anarchist:innen und Linke dem ukrainischen Widerstand anschließen und gegen Russland kämpfen sollten. Diejenigen, die an der Realität der Situation interessiert sind, die erreichen wir.«