Emanuel Turatsinze, Fanclub-Vorsitzender, im Gespräch über den ersten FC-Bayern-Fanclub in ­Ruanda

»Das Spiel prägt Leben und Träume«

Jüngst wurde der erste Fanclub des FC Bayern München Ruandas gegründet. Die »Jungle World« sprach mit dessen Vorsitzenden Emmanuel Turatsinze über Bayern-Fans in Ruanda, die Rolle des Fußballs im Land und die Pläne des Fanclubs.
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Offensichtlich sind Sie ein großer Fan des FC Bayern München. Warum nicht Manchester, Arsenal oder Liverpool – ist Ruanda nicht in festen Händen der Premier-League-Fans?
Obwohl diese Mannschaften sicherlich größere Hausnummern sind, schlägt mein Herz schon seit meiner Kindheit für die Bayern. Ich kann mich daran erinnern, dass mich um 2004 mein großer Bruder das erste Mal mitnahm, um im Fernsehen ein Bayern-Spiel gegen Köln zu sehen. Es endete mit einem 2:1-Sieg für Bayern und seitdem mag ich Bayern München. Natürlich hat mich ihre offensive Spielweise im Laufe der Jahre immer mehr fasziniert. Und Sie können sich vorstellen, dass Jupp Heynckes’ Triple-Gewinn im Jahr 2013 eine große Sache war, die mich bei der Stange hielt.

Als der FC Bayern die Deutsche Meisterschaft, den DFB-Pokal und die Uefa Champions League gewann, meinen Sie?
Genau. Nichts für ungut, die anderen Mannschaften sind natürlich alle phantastische Vereine, aber jeder hat seine eigene Mannschaft.

Was war Ihr Lieblingsspiel des FC Bayern?
Das war das besagte Champions-League-Finale 2013 gegen Dortmund. Das Spiel war ein wenig wie ein Racheakt, denn im Jahr zuvor hatten wir das Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea verloren, und das in unserer Allianz-Arena, was sehr traurig war.

Fan zu sein, ist die eine Sache, aber einen Bayern-Fanclub in Ruanda zu gründen – wie kam es dazu?
Ja, das ist eine interessante Frage. In den Jahren zuvor haben wir es tatsächlich zweimal versucht, aber es war nicht von Erfolg gekrönt. Es war, als hätte es erst den richtigen Moment gebraucht. Die Zusammenarbeit zwischen dem FC Bayern und Ruanda war dann ein Auslöser für alles. Es ergab sich die Gelegenheit, uns mit einem Experten auszutauschen, der uns dabei geholfen hat, einen offiziellen und eingetragenen FC-Bayern-Fanclub Ruanda zu gründen.

Und wie gestaltete sich die Auftaktveranstaltung zur Aufnahme der Vereinsaktivitäten am 24. Februar?
Es war überwältigend. Ich wusste, dass es ein paar Leute in Ruanda gibt, die sich für deutschen Fußball interessieren, aber ich hätte nie gedacht, dass es so viele werden würden. Neben einem Offiziellen vom FC Bayern hielten der Trainer der ruandischen Nationalmannschaft und der stellvertretende deutsche Botschafter Begrüßungsreden. Es waren mehr als 70 Gäste aus Ruanda und aus Europa anwesend. Das Datum haben wir bewusst gewählt: Es sollte Fußball geschaut werden. Bayerns verdienter Last-Minute-Sieg gegen Leipzig war wirklich das Sahnehäubchen auf dem Kuchen.

Welche Aktivitäten stehen nun auf dem Programm?
Wir planen, Menschen zusammenzubringen, und natürlich planen wir in den nächsten Monaten verschiedene Aktivitäten, die vielen Menschen helfen. Zum Beispiel wollen wir als Bayern-Fans zusammenkommen und eine Krankenversicherung für Menschen bezahlen, die sonst keinen Zugang dazu haben. Auch der Fußball soll nicht zu kurz kommen, indem wir die Bayern-Ruanda-Akademie bei ihren Spielen unterstützen und gemeinsam überlegen, was unsere Rolle bei der Verbesserung des ruandischen Fußballs sein könnte, angefangen bei den jungen Spielern. Wir laden auch andere Fanclubs aus Deutschland ein, uns hier in Kigali zu besuchen und engere Beziehungen zwischen den Fans weltweit zu knüpfen.

Und was planen Sie langfristig für den Verein?
Der FC-Bayern-Fanclub Ruanda soll nicht bloß den Verein anfeuern. Wir wollen eine lebendige Community sein, die die ruandische Kultur annimmt und der Gesellschaft etwas zurückgibt. Mit Partys und Turnieren werden wir unsere Fan-Familie vergrößern, während lokale Partnerschaften uns in der Community verwurzeln. Vereint durch unsere Liebe zum FC Bayern wird dieser Fanclub von Wohltätigkeitsveranstaltungen bis zum Kulturaustausch auf und neben dem Platz wirken.

»Nach der unvorstellbaren Tragödie des Völkermords an den Tutsi im Jahr 1994 wurde der Fußball zu einem Leuchtfeuer der Einheit, der Versöhnung und der Heilung.«

Ein sehr umfassendes Vorhaben für einen Fanclub. Welche Rolle spielt der Fußball in der ruandischen Gesellschaft?
In Ruanda haben wir die positive Kraft des Fußballs erlebt. Nach der unvorstellbaren Tragödie des Völkermords an den Tutsi im Jahr 1994 – er jährt sich im April übrigens zum 30. Mal – wurde der Fußball zu einem Leuchtfeuer der Einheit, der Versöhnung und der Heilung. Er fügte Communitys wieder zusammen. Jenseits des Jubels für die Amavubi, also unsere Fußballnationalmannschaft, stärkt der Fußball die lokalen Bindungen. Er bietet jungen Menschen Hoffnung, das Spiel prägt Leben und Träume. Doch es bleiben Herausforderungen bestehen. Zum Beispiel haben wir kaum Flutlichtanlagen, so dass das Training meistens nicht in den Abendstunden stattfinden kann. In Ruanda geht die Sonne das ganze Jahr über täglich um 18 Uhr unter. Das klingt nach einem kleinen Problem, hat aber sehr große Auswirkungen.

Glauben Sie denn, dass Ihr Fanclub zur Entwicklung des Fußballs in Ruanda beitragen kann?
Natürlich! Stellen Sie sich einen Fanclub vor, der junge Menschen mit dem Teamgeist des Fußballs beeinflusst, junge Talente und Inklusivität fördert und Brücken für den ruandischen Fußball baut. Wir heißen alle willkommen und verweben die lokale ruandische Kultur mit dem Bayern-Stolz. Austauschprogramme und gemeinsame Ressourcen werden garantiert Potentiale erschließen. Wir stehen noch ganz am Anfang, aber in Ruanda glauben wir nicht nur an die Dinge, sondern treiben sie voran und bringen sie ins Laufen.

Die ruandische Nationalmannschaft hat mit ihrem Trainer Torsten Spittler, dem ehemaligen Co-Trainer der deutschen U16-Nationalmannschaft, Südafrika in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2026 mit 2:0 geschlagen. Welche Auswirkungen hatte das?
Ruandas Sieg hat, man kann es nicht anders formulieren, Schockwellen durch Ruanda und den afrikanischen Fußball gesandt. Natürlich haben wir den Einfluss unseres neuen Trainers, Herrn Spittlers, auf dem Spielfeld gesehen. Die letzten Jahre waren sehr schwierig für uns und nun zittert die Gruppe C vor Ruanda, dem totalen Außenseiter. Dieser Sieg zeigt, dass meine große Hoffnung auf den ruandischen Fußball nicht unbegründet ist. Ich bin mir sicher, dass wir eines Tages noch stolzer auf unsere Nationalmannschaft sein können. Stolz macht mich auch, dass Herr Spittler uns bei unserer Auftaktveranstaltung besucht hat, obwohl er ja eigentlich ein alter 1860er ist.

Fußball braucht Nachwuchs. Welche Möglichkeiten haben talentierte junge Spieler in Ruanda?
Die PSG-Akademie (Paris Saint-Germain; Anm. d. Red.), die Bayern-München-Akademie und viele andere lokale Akademien boomen. Der Nachwuchs wird gefördert wie nie und kriegt auch noch die Chance, internationale Erfahrungen zu sammeln. Neue Sterne werden in Ruanda aufgehen. Natürlich bleiben unsere begrenzten Ressourcen außerhalb dieser Eliteakademien eine große Herausforderung. Wir werden uns durchbeißen und unser Fanclub wird dabei helfen.

Apropos Bayern-München-Akademie – der FC Bayern und die Tourismusinitiative »Visit Rwanda« sind gerade eine Partnerschaft bis 2028 eingegangen. Teil der Jugendförderung des FC Bayerns ist besagte Akademie mit ihrem Direktor Bernhard Hirmer. Die Gründung Ihres Vereins zu diesem Zeitpunkt kann doch kein Zufall sein …
Wie gesagt, unsere Vereinsgründung ist schon zweimal fehlgeschlagen. Diesmal war das Timing einfach optimal. Wir wurden wahrgenommen. Das gab uns Selbstvertrauen und natürlich den Rückenwind, um andere zu überzeugen, auf mehr Leute zuzugehen und endlich erfolgreich den Schritt zur Gründung eines Fanclubs zu gehen.

Wie können Fans in Deutschland den ruandischen Bayern-Fanclub unterstützen?
Gehen Sie auf Instagram, schauen Sie sich an, was wir tun. Außerdem können Sie uns Fanartikel spenden – das ist nichts, was man in Ruanda wirklich finden kann. Natürlich wäre eine Zusammenarbeit mit deutschen Fanclubs auch wunderbar. Wir stimmen gerne in ihre Online-Jubelrufe mit ein. Bestimmt wäre es spannend, wenn die ruandische und deutsche Fankultur in eine Art Austausch treten würden. Kommt uns doch besuchen!

Gibt es etwas, das Sie den Fans des FC Bayern in Deutschland sagen möchten?
Natürlich, ja: Hey Bayern-Fans weltweit! Wir sind zwar ein neuer Fanclub, jung, aber voller Leidenschaft. Wir träumen davon, eine lebendige Community aufzubauen, Talente zu fördern und zum ruandischen Fußball beizutragen. An die deutschen Fans: Eure Unterstützung, ob groß oder klein, zählt! Lasst uns gemeinsam die Welt mit Leidenschaft und Tatendrang rot und weiß färben! Mia san mia! (lacht)

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Emmanuel Turatsinze

Emmanuel Turatsinze

Bild:
privat

Emmanuel Turatsinze wohnt nahe der ruandischen Hauptstadt Kigali. Seit seiner Kindheit ist er ein leidenschaftlicher Sportler und Bayern-München-Fan. Bereits in der Schulzeit erhielt er wegen seiner Leistungen auf dem Spielfeld den Spitznamen »Adeba«, eine Hommage an den togoischen Fußball-Weltstar Emmanuel Adebayor. Obwohl seine Familie großen Wert auf Bildung lege, dominierte die Liebe zum Sport ab der Junior High School wieder sein Leben. Turatsinze blickt nicht nur auf eine Karriere in der zweiten ruandischen Fußballliga zurück, sondern auch auf Erfolge mit der ruandischen Rugby-Nationalmannschaft. Eine schwere Verletzung setzte seiner aktiven Sportlaufbahn 2017 ein jähes Ende. Mittlerweile arbeitet der 29jährige Turatsinze als IT-Consultant in einem deutsch-ruandischen Unternehmen. Dem Sport bleibt er mit seiner Rolle als Vorsitzender des ersten ruandischen FC-Bayern-Fanclubs weiterhin treu.