Das Gebot »Fasse dich kurz« scheint in Vergessenheit zu geraten

Vorsicht vor dem Bandwurm

Sprachkolumne. Hier müssen Leser und Leserinnen bis zum Ende durchhalten.
Das letzte Wort Von

Wenn eine Autorin oder – man wird, auch wenn man zu faul ist zu recherchieren, ob empirische Daten zu dieser Frage vorliegen, wohl annehmen dürfen: zumeist – ein Autor der Meinung ist, dass es eleganter, der Sache angemessener oder in den Augen des imaginierten Publikums beeindruckender sei, einen Gedanken, der, weil er einen komplexen Gegenstand hat, seinerseits in entsprechendem Maße komplex zu sein beansprucht, in einer einzigen Periode auszudrücken, als ihn in eine Reihe übersichtlicher Sätze zu zerteilen, wobei jedoch allzu leicht ein hypotaktischer Wildwuchs entstehen kann, der die Grenzen der Verständlichkeit sprengt, vergleichbar einem übervollen Döner Kebab, der weder von mundgerechter Größe ist noch über eine Konsistenz verfügt, die es ermöglichen würde, ihn, wie etwa einen Apfel, Bissen für Bissen zu vertilgen, ohne sich dabei fortlaufend mit saucengetränkten Bestandteilen zu bekleckern, die im Bilde also den Satzteilen entsprechen, deren Eingliederung Schwierigkeiten bereitet, oder den Pronomen, deren Bezugswort nicht zu identifizieren ist, oder wenn gar vom Inhalt des Hauptsatzes durchaus unabhängige Mitteilungen, zum Beispiel Hintergrundinformationen über eine erwähnte Person oder Sache, die man besser in einem eigenen Satz mitgeteilt hätte, oder eine geschwätzige Nebenbemerkung, die man sich, weil sie, wie man sagen könnte, die Schwelle des Mitteilenswerten nicht überschreitet, also, mit anderen Worten, dem Satz nichts Wissens- beziehungsweise, da wir hier ja von einem dezidiert schriftsprachlichen Phänomen sprechen, Lesenswertes hinzufügt, gleich ganz hätte sparen können, in Relativ- oder andere Gliedsätze gepackt werden, wobei es besonders unschön ist, wenn ein solcher derart eingeschoben wird, dass er zusammengehörige Teile des Hauptsatzes oder, falls der fragliche Gliedsatz nicht diesen, sondern einen Nebensatz unterbricht, eben dessen in große Entfernung voneinander rückt, was beim Lesen eine nicht unerhebliche Gedächtnisleistung erfordert und besonders enervierend ist, wenn man, wie es bei solchen Konstruktionen nicht selten vorkommt, erst ganz am Schluss, wenn man den Anfang des Satzungetüms aller Wahrscheinlichkeit nach längst vergessen hat, erfährt, was einen bis dahin allerdings längst nicht mehr interessiert, nämlich worum es eigentlich geht, dann können Bandwurmsätze von beliebiger Länge entstehen.