Fischer-Interview in Spex

Androhung eines »linken Projekts«

Auf Seite 38 der aktuellen Ausgabe des Kölner Magazins für Popkultur, Spex, lehnt ein gut aussehender Jo-seph Fischer. Kleidung, Körper, Hintergrund und Mimik ergänzen sich perfekt bis hin zum ehrlichen, ernsthaften Gesicht. Die Aussage, die das Foto und der zugehörige Text vermitteln, lautet: kein Spaß, Verantwortung, Haltung, aber immer lässig, kommunikativ, freiwillig. Preußische Tugenden in Grün.

Mark Terkessidis nimmt in diesem Sinne Anlauf, wenn er unter dem Titel "Der Auftrag eines linkes Projekts" Fischer auf vier Seiten die Chance gibt, sich und seine Positionen ins rechte Licht zu rücken. Dabei vermeidet er keineswegs Einwände, gibt manches zu bedenken, weist auf "problematische" Inhalte hin. All dies bleibt jedoch schwach, weich, verstehend, einfühlend, im Grunde rhetorisch bis hin zu eumelhafter Naivität ("Aber werden im Prozeß der Globalisierung die Spielräume für das, was politisch machbar ist, nicht immer kleiner?"). Terkessides gibt alles, um den "Alternativ"-Charakter einer rot-grünen Regierungsoption zu retten. Die Grünen bleiben für ihn - "vor allem, was die sensiblen Themen Jugend, Drogen, Migration, Kriminalität, Innere Sicherheit anbetrifft - die definitiv andere Stimme im ansonsten recht harmonischen Konzept der Parteien".

Konsequenterweise urteilt der Autor, Fischer sei "zweifellos der vergleichsweise interessanteste deutsche Politiker". Das Prädikat "interessant" liefert dem Spex-Leser den von Plattenrezensionen gewohnten Schlüssel zur Entscheidungsfindung. Der Politik-Träger Fischer erhält den auratischen Zusatz, den es braucht, um als Pop-Objekt attraktiv zu werden.

Was Fischer für Terkessidis "interessant" macht, ist sein "Rollen-Spagat" zwischen dem machtbewußten Pragmatismus des Realpolitikers und der "klassischen linken Rolle" des "intellektuellen Vordenkers".Um die Auszeichnung Fischers mit dem Attribut "links" zu legitimieren, läßt Terkessidis ihn selbst reklamieren, "immer Linker gewesen zu sein". Dieses "Links-Sein" wird in Terkessidis' Augen durch die Machtfixiertheit Fischers nicht zweifelhaft, denn es könne "kein Zweifel darüber bestehen, daß seine programmatischen Vorschläge ernstgemeint sind und daß er auf eine durchaus glaubwürdige Weise unbedingt Veränderungen will".

Daß Fischers "Ernsthaftigkeit" u.a. im Vorantreiben einer immer hemmungsloseren Militarisierung deutscher Außenpolitik besteht, die auch als Mittel der Innenpolitik fungieren soll, indem sie die Ursachen der Flüchtlingsströme in den Ursprungsländern, und zwar durch militärische Interventionen, bekämpft, kommt Terkessidis nicht in den Sinn. Schwer beeindruckt resümiert er, Fischer akzeptiere u.a. Konzepte wie "nationale Interesse" als gegebenen politischen Bezugsrahmen, "um dann das Thema von links aufzugreifen", und er schluckt auch Fischers im Interview vorgebrachtes Selektionspostulat hinsichtlich erwünschter und unerwünschter Ausländer innerhalb des (als solches schon demagogisch verwendeten) "Einwanderungsland"-Konzepts.

Die lemminghafte Hinnahme jeglichen noch so populistischen Inhalts, so er sich nur "sozial", "kommunikativ" oder "demokratisch" abgefedert präsentiert, zieht sich durch den gesamten Text. Spex bietet hier Gelegenheit zur Inszenierung eines light-reaktionären Mannes, mit dem Effekt, dessen Person und Position für die Wahlentscheidung als d'accord zu deklarieren.