»Hohe Moral« im hohen Norden

Norwegen will seine jüdischen Bürger entschädigen, die während der deutschen Besetzung enteignet wurden

Auf die guten Beziehungen zwischen Norwegen und Israel ist man in Norwegen sehr stolz. "Es war die jüdische Arbeiterbewegung in den USA, die im Zweiten Weltkrieg ihre in Norwegen kämpfenden Kameraden unterstützte...", schrieb der Journalist Erling B¿ in der Tageszeitung Verdens Gang zum 50. Geburtstag des Staates Israel. "Und dann waren es linke, westlich orientierte Juden, die den Aufbau Israels als neuen Arbeiterstaat vorantrieben."

Als erstes der im Zweiten Weltkrieg von Deutschland besetzten Länder wird Norwegen nun seine jüdischen Bürger entschädigen. Ende Juni bestätigte der Storting, das norwegische Parlament, einen Regierungsbeschluß von Ende April, der dafür eine Summe von 450 Millionen Kronen (umgerechnet rund 110 Millionen Mark) bereitstellt.

Denn auch in Norwegen war nach dem Einmarsch der Deutschen jüdisches Eigentum beschlagnahmt worden, jüdische Bürger wurden registriert und in Vernichtungslager deportiert. Ohne die Mithilfe von Einheimischen ging das nicht. Der Name des Faschistenführers Vidkun Quisling wurde zum Synonym für Kollaboration mit den Nazis.

Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte eine Kommission unter Leitung des Regionalparlamentariers Oluf Skarpnes einen Vorschlag zur Entschädigung norwegischer Juden vorgelegt, umstritten war allerdings zunächst die Höhe des zu veranschlagenden Betrages. Wegen der Schwierigkeit, die Zahl derjenigen zu beziffern, die einen Anspruch auf Wiedergutmachung haben, hatten die Kommissionsmitglieder Summen zwischen 25 Millionen und 100 Millionen Mark diskutiert.

Daß man sich schließlich für einen noch höheren Betrag entschieden habe, so erläuterte Regierungschef Kjell Magne Bondevik, sei eine ethisch-moralische Angelegenheit gewesen. "Das den Juden zugefügte Unrecht kann natürlich niemals gutgemacht werden", sagte er, "wir waren jedoch dazu verpflichtet, eine moralische Entscheidung zu treffen, deren Ergebnis sich auch ökonomisch ausdrücken sollte."

Der Großteil des Geldes, knapp 50 Millionen Mark, soll für die Entschädigung norwegischer Juden verwendet werden, deren Vermögen und Eigentum von den deutschen Besatzern konfisziert worden war, ein entsprechender Antrag kann auch von den Hinterbliebenen gestellt werden. Mehr als 35 Millionen sollen an die Jüdischen Gemeinden in Norwegen ausbezahlt werden und dann unter anderem in einen Fonds fließen, der "helfen soll, die jüdische Kultur und die jüdische Zukunft in Norwegen zu sichern", wie Bondevik anläßlich des 50. Jahrestages der israelischen Staatsgründung erläuterte.

Außerdem werden knapp 10 Millionen Mark für ein geplantes Forschungs- und Dokumentationszentrum zum Holocaust in Norwegen bereitgestellt. Weitere 15 Millionen Mark sind für einen Fonds vorgesehen, mit dem man, so Bondevik, außerhalb Norwegens "die Tradition und Kultur, die die Nazis ausrotten wollten, wieder aufbauen helfen möchte". Dieses Geld soll von der Jüdischen Gemeinde Norwegens, dem World Jewish Congress und Repräsentanten des norwegischen Abgeordnetenhauses verwaltet werden. Als Vorsitzender ist Eli Wiesel vorgesehen.

Vereinzelt wurde in der norwegischen Diskussion um die Entschädigungen darauf hingewiesen, daß schon kurz nach dem Krieg in den Jahren von 1946 bis 1949 Entschädigungen gezahlt worden seien. Dabei handelte es sich jedoch lediglich um Summen zwischen 10 000 und 20 000 Kronen pro Person. Immerhin verfügte Norwegen damals über eine europaweit einmalige Kommission, die dafür sorgen sollte, daß jüdisches Eigentum zurückerstattet wurde - was de facto aber nur selten passierte, auch weil nicht alle Enteignungen und verlorenen Werte registriert wurden.

Oberrabbiner Michael Melchior jedenfalls bewertete den Beschluß des Storting: "Kronen und ¯re sind nicht wesentlich. Die moralische und ethische Haltung der Regierung ist das, was für uns wichtig ist, sie hat ganz einfach verstanden, worum es geht." Der israelische Botschafter in Norwegen, Amos Nadai, erhofft sich, daß dies ein Beispiel für andere Länder sei. "Das Konzept einer kollektiven Entschädigung, bei der die einzelnen Menschen nicht vergessen werden, ist richtig. Norwegen hat hohe Moral bewiesen."