Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Professor Fritz Herkenrath war 1958 WM-Torhüter

Im Stadion war ich nicht, das Tor habe ich also nicht live gesehen, sondern zu Hause vor dem Fernseher.

In einer solchen Spielsituation wie der, die zum Treffer für die DDR führte, hat man als Keeper keine Zeit nachzudenken, also z.B. zu überlegen, was man tun soll oder sich über die Abwehr aufzuregen - man handelt einfach nur intuitiv und reflexartig.

Ich kann mich an das Tor nur schemenhaft erinnern, das liegt wohl auch daran, daß mit den Jahren mein Abstand zum Sport gewachsen ist - nach der aktiven Zeit war mir meine berufliche Entwicklung einfach wichtiger. Und ich habe immer lieber selbst Sport getrieben als zugeschaut.

Heute jedoch wird der Sport so stark vermarktet, wird so sehr unter dem Gewinn-Aspekt gesehen - was wohl sein muß, denn viele Millionen Menschen schalten schließlich des Sportes wegen ihre Fernseher ein -, daß ich lieber im Wald spazierengehe als mir eines dieser Großereignisse anzusehen. Die Entwicklung des Sportes geht ins Uferlose, nicht nur beim Fußball, auch die Olympischen Spiele haben beispielsweise nichts mehr mit ihrem Grundgedanken zu tun. Und der sogenannte Kleine Mann wird als Zuschauer im Stadion systematisch ausgeschlossen, wie man jetzt bei der WM sieht, die für Eintrittskarten geforderten Preise sind einfach nicht mehr zu bezahlen. Ntürlich werden enorme Leistungen vollbracht, und ich gönne auch jedem Sportler, im Rampenlicht zu stehen, aber wenn ich mir überlege, welche Beträge mittlerweile an einzelne gezahlt werden - auch im Showgeschäft -, dann denke ich, daß mit unserer Gesellschaft etwas nicht stimmt. Niemand ist so wertvoll.

Ich frage mich auch oft, wie es wohl sein wird, wenn die Genforschung auch so weit ist, daß sie Menschen auf ihre potentielle sportliche Leistungsfähigkeit untersuchen kann. Wenn ich daran denke, dann bin ich froh, daß ich schon 70 bin.