Nationaler Hahnenkampf

In Frankreich eskaliert der Streit zwischen FN-Führer Le Pen und seinem Chefideologen Mégret

Eigentlich dient die alljährliche "Sommeruniversität" des Front National zur theoretischen Schulung der Kader der neofaschistischen Partei. Letzte Woche stand anderes auf dem Programm: Die Rivalität zwischen den beiden führenden Männern der "nationalen Bewegung" - wie sich der FN selbst bezeichnet - eskalierte.

Pünktlich zum Auftakt der fünftägigen Veranstaltung am Montag erschien in der Boulevardzeitung Le Parisien ein explosives Interview mit dem FN-Chefideologen Bruno Mégret. Der trägt offiziell den stolzen Titel eines "Generalbeauftragten" (délégué général) der Partei. Daneben gibt es noch einen Generalsekretär, derzeit Bruno Gollnisch. Die Konstruktion hatte der FN-Gründer und langjährige Parteichef Jean-Marie Le Pen erfunden. Sie bezweckt, die Herausbildung einer Nummer zwei zu verhindern, indem die höchsten Funktionäre gegeneinander ausgespielt werden können. Auf diesem Wege soll dafür gesorgt werden, daß niemand in der autoritär geführten Partei dem

Chef gefährlich werden kann. Genau dies aber scheint nun doch passiert zu sein.

Blenden wir zurück: Im Juli hatte Jean-Marie Le Pen angekündigt, daß er - sollte seine Kandidatur für die Europaparlamentswahl im Juni 1999 nicht möglich sein - die Aufstellung seiner Ehefrau als Listenführerin in Erwägung ziehe. Der Hintergrund: Gegen Le Pen wird in absehbarer Zeit - voraussichtlich Ende September - das Berufungsurteil in einem Strafprozeß gefällt, der ihm wegen Gewalttätigkeiten gegen eine sozialistische Parlamentskandidatin gemacht wird.

Im Februar 1997 war Le Pen wegen eines Fehlers seines Chauffeurs in der Pariser Vorstadt Mantes-la-Jolie in eine Anti-FN-Demonstration geraten. In dem dabei entstandenen Tumult hatte sich der FN-Führer auf die Politikerin Annette Peulvast-Bergeal gestürzt, die zwei Köpfe kleiner ist als er, und sie am Hals, am Brustkorb sowie an den Beinen verletzt. Ein Gericht in Versailles entzog ihm daraufhin für zwei Jahre die Bürgerrechte - und damit auch das passive Wahlrecht. Sollte das Strafmaß in der Berufungsinstanz bestätigt werden, so könnte Le Pen 1999 die Liste zu den Europaparlamentswahlen nicht anführen.

Für diesen Fall hatte Bruno Mégret, dessen Ambitionen auf Le Pens Nachfolge kein Geheimnis sind, Anspruch auf die Spitze der Europa-Liste angemeldet. Sehr zum Mißvergnügen seines Parteichefs, der im Juli gegenüber dem Figaro deutlich wurde: "Es wäre wirklich der Gipfel, wenn bestimmte Leute von den mir zugefügten Schlägen profitieren wollten, um in der Partei aufzusteigen." Im Figaro machte er auch die Idee öffentlich, seine Gattin an seiner Stelle zur Listenführerin zu ernennen. Pech war nur, daß Jany Le Pen, eher unbedarft in Sachen Politik, dies am folgenden Tag in einem Interview mit der Zeitung France-Soir ausplauderte und erklärte, sie sei in die Pläne zu ihrer Kandidatur nicht eingeweiht.

Anfang letzter Woche nun gab Bruno Mégret via Le Parisien eine regelrechte Kriegserklärung ab. Die Kandidatur von Jany Le Pen - "so sehr ich sie schätze" - sei nun wirklich "keine gute Idee". Und "wenn der Chef verhindert ist, dann ist es die Nummer zwei, die ihn vertritt". Notfalls werde er eine Abstimmung in den Führungsgremien der Partei, in Zentralkomitee und Politischem Büro, fordern.

Prompt kam der Gegenschlag: Samuel Maréchal, Schwiegersohn von Le Pen und Chef der Parteijugend, konterte tags darauf in einem Interview im Parisien: "Als Bruno Mégret in Vitrolles für unwählbar erklärt wurde, da war es nicht die Nummer zwei auf seiner Liste, die ihn vertrat, sondern seine Frau Catherine."

Bei der Sommeruniversität in Toulon ging der Streit munter weiter - vor und hinter den Kulissen. Le Pen widmete ihm am Freitag gar den größten Teil seiner Abschlußrede und erklärte: "Es gibt nur eine Nummer im Front National, und das ist die Nummer eins. Also kündige ich an, daß ich Spitzenkandidat zum Europaparlament sein werde. Wenn das Komplott, das in Mantes-la-Jolie gegen mich geschmiedet wurde, zu meiner Unwählbarkeit führen sollte, dann bin ich es, der die Liste der 87 Kandidaten aufstellen wird."

Die Politoperette bei den Neofaschisten hat allerdings einen ernsten Hintergrund: Le Pen und Mégret stehen für zwei verschiedene Politikkonzepte. Im Gegensatz zu Le Pen ist Mégret Befürworter von Bündnissen mit Teilen der konservativen Rechten, wie es in Italien Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale mit Berlusconis Forza Italia praktizierte.