Österreich will Flüchtlingskonvention aushöhlen

Abgeblitzt

War das peinlich. Da stand Wien nach Jahren weltpolitischer Abstinenz mit US-Außenministerin Madeleine Albright endlich mal wieder hoher Besuch ins Haus. Doch die Freude, wichtig genommen zu werden, währte nur kurz. Wenige Tage vor Ankunft der Ministerin stellte sich heraus, daß der Besuch aus Amerika Ärger mit sich bringen könnte: US-Diplomaten steckten ihren österreichischen Kollegen im Vorfeld, daß die USA gar nicht glücklich seien über die angebliche Zwangsrückführung bosnischer Flüchtlinge.

Das Gerücht zeigte Wirkung. Der stets um sein gutes Image besorgte österreichische Außenminister Wolfgang Schüssel meinte bald, im sozialdemokratischen Innenminister Karl Schlögl den Schuldigen für die diplomatischen Spannungen gefunden zu haben. Schüssel warf Schlögl vor, mit seiner Ausländerpolitik die Harmonie des für Österreich und dessen EU-Präsidentschaft so wichtigen Albright-Besuches zu stören. Schlögl wiederum wandte sich an Manfred Matzka, den für Fremdenpolitk zuständigen Sektionschef im Innenministerium, der heftig dementierte: Nein, nichts sei dran an den Gerüchten über Zwangsrepatriierungen bosnischer Flüchtlinge.

Der Mann hatte recht. Tatsächlich hält Österreich im Umgang mit Bosnien-Flüchtlingen so etwas wie humanitäre Grundstandards ein. Im Gegensatz zur deutschen Politik wurde bislang niemand gezwungen, nach Bosnien zurückzukehren. Washington zeigte sich zufrieden.

Doch nachdem diese diplomatische Hürde genommen war, drohte aus Matzkas Büro die nächste außenpolitische Panne. Der in Österreich als "Asylterrier" bekannte Matzka tüftelte bereits an einer "Neufassung der Genfer Konvention". Wer nun hoffnungsfroh daran dachte, Österreich würde die in der Konvention recht eng gefaßten Gründe für Verfolgung ausdehnen, irrte. Zwar gesteht Matzka in dem Anfang letzter Woche bekanntgewordenen Papier ein, daß "interethnische Konflikte ebenso wie Verfolgung durch nichtstaatliche Gewaltapparate" als Fluchtgrund gelten. Allerdings seien diese im allgemeinen sehr "schwer nachweisbar", so daß sich die Aufnahmestaaten "auf Globalbeurteilungen einer bestimmten Situation stützen und den Einzelfall eher als Teil eines größeren Phänomens erkennen" sollten. Die "Schutzgewährung" solle nicht mehr "als subjektives Individualrecht, sondern als politisches Angebot des Aufnahmelandes verstanden werden". Im Klartext: Nicht mehr das Schicksal des Asylsuchenden ist ausschlaggebend für den Ausgang des Asylverfahrens, sondern politisches Gutdünken der Einzelstaaten.

In den Gremien der Europäischen Union hat sich das Alpenland mit dem Matzka-Papier vorerst gründlich in die Nesseln gesetzt. Dänemark verurteilte die Ideen des Sektionschefs scharf, der Innenminister des Landes Thorkild Simonsen hält die Ausführungen für "sehr gefährlich". Auch bei EU-Kommission und Europäischem Parlament ist Österreichs Innenministerium mit dem Vorschlag abgeblitzt. Nur der Ministerpräsident des deutschen Bundesstaates Bayern, Edmund Stoiber, applaudierte.

Als Albright am Freitag letzter Woche endlich in Wien eintraf, ahnte Matzkas Chef, Innenminister Schlögl, wohl, daß nur die Rücknahme des Flüchtlingspapiers die Ministerin besänftigen würde. Also erklärte er den Vorstoß für gescheitert.