Kalif gegen Koptenpapst

Ein ägyptischer Regimekritiker wurde festgenommen, weil seine Organisation über Polizeifolter berichtete

Geld soll er genommen haben, wird ihm vorgeworfen, "aus dem Ausland, um Berichte zu verfassen, die den nationalen Interessen Ägyptens schweren Schaden zufügen". Auf Anordnung des Staatssicherheitsgerichts wurde am Dienstag vergangener Woche Hafez Abu Se'da, der Vorsitzende der Ägyptischen Organisation für Menschenrechte (EOHR), zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres in Untersuchungshaft genommen. Ihm drohen 15 Jahre Haft mit Zwangsarbeit.

Das Gericht sah es als erwiesen an, daß Se'da im Auftrag der britischen Botschaft Berichte über die Unterdrückung der christlichen Kopten in Oberägypten verfassen sollte. Sowohl Se'da als auch der Presseattaché der britischen Botschaft in Kairo, Edward Webb, wiesen die Vorwürfe der Behörde zurück. Die Gelder seien für ein Ausbildungsprogramm für Frauen und behinderte Kinder geplant gewesen.

Die Festnahme des Menschenrechtlers steht im direkten Zusammenhang mit den Enthüllungen der EOHR über willkürliche Festnahmen und Folterungen von christlichen Kopten im August in der oberägyptischen Provinz Sohag. Nach ihrem Bericht vom September hatten Polizeioffiziere bei der Aufklärung zweier Morde in dem Dorf El-Kosheh rund 1 200 christliche Kopten vorübergehend inhaftiert. Nach mehrwöchigen brutalen Verhören bekannte sich schließlich ein Kopte zu den Anschlägen.

Der Bericht legt den Schluß nahe, daß die Polizei mit Gewalt ein Geständnis erpreßt hat, um einen konfessionellen Grabenkrieg zwischen Muslimen und Christen in El-Kosheh abzuwenden. Nach Angaben der Dorfbewohner wurden ein Monat lang täglich bis zu 60 Christen auf der Polizeistation in El-Kosheh gefoltert, um den Täter zu ermitteln. Die Menschenrechtsorganisation geht von rund 500 Folteropfern aus.

Zusammen mit sechs anderen Menschenrechtsorganisationen hatte die EOHR im November Präsident Hosni Mubarak aufgefordert, die Hintergründe des Polizeiterrors in El-Kosheh aufzuklären. Bisher hüllt sich die Regierung in Kairo zu den Vorfällen jedoch beharrlich in Schweigen. Präsidentenberater Usama al-Baz räumte zwar inzwischen "vereinzelte Übergriffe der Polizei" ein. Vier Offiziere wurden mittlerweile versetzt. Eine gesonderte Untersuchung des Vorfalls wird von der politischen Führung bis heute allerdings nicht erwogen.

Statt dessen sieht sich die Staatsmacht als Opfer einer internationalen Diffamierungskampagne. Bereits im März dieses Jahres forderte Usama al-Baz den US-amerikanischen Kongreß auf, sich wegen der Situation der christlichen Minderheit nicht in interne Angelegenheiten des Landes einzumischen. Daß Kopten in Ägypten offiziell diskriminiert und unterdrückt würden, sei eine böswillige Unterstellung der exil-koptischen Lobby, so der Präsidentenberater. Selbst die Kopten würden sich gegen derartige Anschuldigungen aussprechen. Man solle sich nur an den Koptenpapst Shenouda III. zu wenden. Tatsächlich hatte dieser im Schulterschluß mit dem Sohn des Oberhauptes der anglikanischen Kirche und Vertretern der Azhar die jahrhundertelange Eintracht zwischen Christen und Muslimen beschworen.

Doch das Bild völliger Harmonie zwischen Christen und Muslimen trügt. Die koptische Minderheit in Ägypten ist bis heute sowohl Diskriminierungen durch Staatsbeamte als auch Verfolgungen durch bewaffnete islamistische Gangs in Oberägypten ausgesetzt (Jungle World, Nr.52-1/97-98). Die über neun Millionen ägyptischen Kopten sind allein aufgrund ihres Status als "Schutzbefohlene" (Dhimmis) den Muslimen gegenüber formal-rechtlich benachteiligt. Ein Gesetz aus der Zeit des osmanischen Kalifats ist bis heute die Hauptquelle staatlicher Restriktionen gegen koptische Bürger. Das "Hammayouni"-Dekret behindere nicht nur die Ausübung religiöser Riten und Freiheiten der Kopten, sondern fördere darüber hinaus konfessionelle Konflikte zwischen Muslimen und Christen, meint Ghazer Abd er-Razeq vom ägyptischen Menschenrechtszentrum CHRLA.

Wie sehr sich die Regierung an der Kopten-Hetze in Ägypten beteiligt, beweist der letzte Wahlkampf der Regierungspartei NDP: Vor den Präsidentschaftswahlen 1995 verteilten Mubaraks Wahlhelfer in Oberägypten massenhaft Pamphlete mit durchgestrichenen Kreuzen und der Aufschrift "Nein zu Kopten!"

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch forderten die acht führenden Menschenrechtsorganisationen die Regierung Mubarak zur sofortigen Freilassung des inhaftierten EOHR-Vorsitzenden auf. Darüber hinaus kritisierten sie die anhaltenden Repressionen der Sicherheitsbehörden gegen einzelne Menschenrechtsaktivisten. Die Staatsanwaltschaft solle ihre Untersuchungen gegen die an den Übergriffen beteiligten Polizeioffiziere richten und nicht gegen Organisationen, die sich um die Einhaltung von demokratischen Grundrechten in Ägypten einsetzen, hieß es in ihrem gemeinsamen Aufruf vom vergangenen Mittwoch