Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Christian Simmert ist Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen

Sparwasser ist schuld, daß ich kein Fußballprofi wurde. Warum? Nun, ich hatte eigentlich mit knapp zwei Jahren noch keine Ambitionen, meine noch nicht vorhandenen Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. Aber als das Tor fiel, fiel auch die Lust auf das runde Leder bei meinem Vater. Für den überzeugten Bundesbürger, strammen Fan der Bundesnationalmannschaft und "guten Deutschen" brach nicht nur die Fußballwelt zusammen.

Ich saß mit meiner vollen Windel noch im sauerländischen Sandkasten und ahnte nichts Böses, als mein Vater - der sich vier Jahre nach diesem Wendepunkt meiner sich zart andeutenden sportlichen Karriere ganz von mir und meiner Familie verabschiedete - beschloß, nie wieder mit seinem Pampf ein Fußballspiel zu besuchen.

Von da an, nicht nur beschränkt auf das tägliche Kicken in unserer Straße, ging es in Sachen Sport nie bergauf. Mein Platz war der Spielfeldrand und, wenn's hoch kam, die Ersatzbank. Als ich erkannte, daß ich auch zwischen den Pfosten und unter der Latte keine Schnitte hatte, und sich abzeichnete, daß ich sportlich zusehends zu einer Null verkümmerte, wechselte ich das Genre.

Doch auch beim Mutter-und-Kind-Turnen, Badminton, Joggen, Schwimmen, Handball ... hatte ich kein Glück. Mit 16 war mir klar: Sport eher ohne mich. Über die Jahre entwickelte ich eine wahre Antipathie vor allem gegen Fußball, was bei meinem besten Freund für nachhaltiges Entsetzen sorgt. Alles, was nach Fußball riecht, meide ich. Nur meidet es mich nicht. Die ständige Konfrontation mit dem runden Leder beim Bier oder in der Glotze treibt mich schon das eine oder andere Mal zur Verzweiflung.

Zur Eskalation trägt regelmäßig mein bereits erwähnter Freund bei, der sich ausgerechnet dem Sportjournalismus verschrieben hat und beinahe jeden Sonntag schreibend am Rand oder spielend im Mittelfeld steht. Meine zweijährige Tochter sagt nach "Mama" als nächstes "Ball" und ihr Opa verpaßt kein Spiel. Ich komme nicht drum rum - Fußball ist immer öfter da, wo ich auch bin.

Nun, das eine ist "drüber reden", das andere, selbst zuzutreten. Ich dachte zumindest bis vor kurzem: Danke, Sparwasser, daß ich kein Fußballprofi wurde! Falsch gedacht: Ob ich nun mürbe geworden bin oder einfach nur alt, mich hat's nun mit 26 doch erwischt. Schuld ist Willi, der Chef der Grünen Tulpe, "unserer" Mannschaft, in der Joschka Fischer noch kickte, als er kein Außenminister war und für die Ludger Volmer 1982 als "Rauschebart" im Tor stand. Willi hat es geschafft: Nach über zehn Jahren werde ich wieder Fußball spielen (müssen). Trotz Sparwasser.