Freiheit statt Sozialismus

Im Kampf um das Recht auf Selbstvermarktung der Senderechte wollen die Vereine notfalls den DFB verklagen

"Wir können das Gekicke nicht mehr sehen" - dieser Standardsatz genervter Fußballfans könnte in Zukunft aus einem völlig anderen Grund zu hören sein. Gemeint sein werden damit bald vielleicht nicht die qualitativ wenig befriedigenden Leistungen etwa der Nationalelf oder des eigenen Lieblingsbundesligavereins - wenn das, was sich momentan schon abzeichnet, endgültig wahr geworden ist.

Denn derzeit streiten Vereine und Verband - von der Öffentlichkeit noch nahezu unbemerkt - um die mediale Zukunft der Bundesliga. Aber wie immer, wenn es um pekuniäre Vorteile geht, gehen auch diesmal die Vorstellungen über dieses Thema weit auseinander.

Zur Zeit nimmt der Dachverband der Fußballvereine, der Deutsche Fußball-Bund DFB, die Fernsehvermarktung zentral vor. Dabei fielen die bisher von den Sendeanstalten gezahlten und vom Verband aus einem Solidartopf an die Clubs weitergeleiteten Alimente im Vergleich mit anderen europäischen Ländern wie Italien, Spanien oder gar England wesentlich bescheidener aus. Sat.1 überweist für die Erstverwertungs-Rechte im Free-TV pro Saison 180 Millionen Mark, vom Pay-TV-Sender Premiere erhält der DFB einen Betrag in ähnlicher Höhe. Vom Fußball-Bund kriegen die Erstligisten derzeit zwölf Millionen Mark pro Spielzeit aus diesem Topf, die Zweitligisten bekommen mit sechs Millionen die Hälfte.

Der Streit um die zukünftigen Lizenzrechte am deutschen Profifußball ist nun, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, schon längst eskaliert. Nach Bayer Leverkusen verweigerte im Juni dieses Jahres auch Bayern München seine Zustimmung zur bislang gängigen Vermarktungspraxis, Bayer und Bayern wollen statt dessen die Rechte für ihre Fußballspiele dezentral und damit vermutlich für sie profitabler vermarkten. Die Vereine sahen die Zeit dafür gekommen, weil der Vertrag zwischen dem DFB und den Sendern bald auslaufen sollte.

Jetzt wurde allerdings bekannt, daß der DFB den Premiere-Managern stillschweigend eine Option zur Verlängerung des derzeit geltenden Status quo bis zum Jahr 2003 eingeräumt hat, die Tendenz zur Verselbständigung erhielt damit einen entscheidenden Dämpfer. Bayer und Bayern sahen sich getäuscht: "Wenn der DFB eine prozessuale Auseinandersetzung will, werden wir der nicht aus dem Weg gehen!" erklärte Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser die Entschlossenheit der Großen, notfalls gegen den eigenen Verband zu klagen. Die kleineren Profi-Vereine sind dagegen nicht so ganz entschlossen, denn die sind hin- und hergerissen zwischen Profitgier und der Angst, von den TV-Sendern als unattraktive Quoten-Verderber verschmäht zu werden und so unterm Strich finanziell schlechter dazustehn. Denn bisher garantierte der DFB gleiche Zahlungen für alle, unabhängig von der Zuschauerpräferenz. DFB-Direktor Wilfried Straub schürte dieses Befürchtungen der Clubs: "Die durch das Solidarprinzip garantierten Zahlungen an die Vereine ergeben den klaren Vorteil, daß für die Vereine eine Planungssicherheit vorhanden ist."

Den deutschen Vereinen, die sich für den gerade abgelaufenen Uefa-Cup-Wettbewerb qualifizieren konnten, ist das Problem schon bekannt. Sie durften ihre Rechte bei Heimspielen im europäischen Wettbewerb zwar erstmals eigenständig verkaufen, aber wegen der schwachen Leistungen ihrer Teams blieb die Nachfrage deutlich hinter den Erwartungen zurück. Am Ende fehlten in fast jeder Vereinskasse mehrere Hunderttausend Mark, die eigentlich fest eingeplant waren.

So sind es fast ausschließlich die großen Vereine, die republikweit ihre Fans haben und daher mit starkem Zuschauerinteresse rechnen können, die derzeit die Konfrontation mit dem DFB wagen. "Ein Wahnsinn, eine totale Fehleinschätzung" nannte Bayern-Manager Uli Hoeneß die eigenmächtige De-facto-Vertragsverlängerung des DFB mit Premiere, seinem Arbeitgeber entgingen dadurch "auf drei Jahre zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Mark". Dem spanischen Elite-Club FC Barcelona sei es zum Beispiel gerade gelungen, seine Fernsehrechte für die nächsten fünf Jahre exklusiv für 800 Millionen Mark zu verkaufen.

Hoeneß sorgt sich nun um die internationale Konkurrenzfähigkeit seines Vereins. Deswegen warf er den deutschen "Bremsern" um den CDU-Politiker und Vizepräsidenten des DFB, Gerhard Mayer-Vorfelder, in einer Art fußballerischer "Freiheit statt Sozialismus"-Kampagne Ungeheuerliches vor: "Es ist eine Verbissenheit da, den Sozialismus im Fußball einführen zu wollen."

Doch wenn die Freiheit - und sei es nur die zur Profitmaximierung - dem Kollektivismus geopfert werden soll, dann finden sich in der Fußball-Branche immer tapfere Männer, die sich mutig der Unterdrückung entgegenwerfen. Diese schießen sich jetzt - Bargeld vor Augen - auf den "gleichmacherischen" DFB ein, indem man nun den Premiere-Deal juristisch zu knacken versucht. Die Chancen dazu stehen gar nicht schlecht, weil die EU-Kommission Front macht gegen das Vermarktungsmonopol des Verbandes und folgerichtig eine europaweite Deregulierung des lukrativen Marktes ins Auge faßt.

Hoeneß und Co. wollen aber nicht so lange warten, denn die Vereinsoberen haben schon den Punkt entdeckt, an dem sie die dreijährige Option mit dem Pay-TV-Veranstalter aus Hamburg aushebeln könnten: Den Kontrakt schlossen die DFB-Manager nämlich noch mit dem einstigen Premiere-Gesellschafter Ufa, einer Bertelsmann-Tochter, ab. Inzwischen hat sich Bertelsmann jedoch aus dem Pay-TV-Geschäft zurückgezogen und die eigenen Anteile an den neuen Betreiber Leo Kirch verkauft, der ab Herbst eine mediale Großoffensive starten will, indem er Premiere mit seinem bisher nur mäßig erfolgreichen Pilotprojekt DF fusionieren schung mit dem DFB nicht mehr rechtsverbindlich.

Der Kampf gegen den DFB gerät damit automatisch zum Kampf gegen den Medienmogul Kirch. Der bei anderen potentiell an den Vermarktungsrechten für die Bundesliga Interessierten aufmerksam verfolgt wird. "In Deutschland", sagte der tm 3-Sportchef Michael Pfad, "gibt es eine Fernsehlandschaft, wie sie für die Bundesliga günstiger nicht sein könnte." Daß mit den Übertragungsrechten viel Geld verdient werden kann, ist dabei jedem klar: "Ja, wir haben die Hand gehoben", bestätigte auch tm 3-Geschäftsführer Jochen Kröhne das Interesse seines Senders an den exklusiven Übertragungsrechten für die Liga. tm 3 hatte gerade erst im Mai für Aufregung gesorgt, als es gelang, mit Rückendeckung des Australiers Rupert Murdoch dem bei RTL involvierten Medienkonzern Bertelsmann die TV-Rechte an der europäischen Champions League vor der Nase wegzukaufen. RTL, plötzlich zur fußballfreien Zone geworden, wird diesen Zustand sicherlich ändern wollen und möglicherweise mitbieten.

So sehen die Vereine nun auch ihre Chance gekommen. Karl Heinz Rummenigge, Vizepräsident von Bayern München und Vorsitzender einer bundesligainternen TV-Findungskommission, drohte den DFB-Funktionären kürzlich, es auf eine Konfrontation ankommen lassen zu wollen: "Notfalls kommt der Crash." Es sei doch besser, "mal kurzfristig zu streiten als langfristig die Zeche zu zahlen." Cash oder Crash? Paul Breitner, notorischer DFB-Kritiker sieht "einen Automatismus" in Gang gesetzt, "der nicht mehr zu stoppen ist." Der Fußball werde lediglich eine Vorreiterrolle spielen in der Unterhaltungsbranche. "Wir gehen den Weg, den man in den USA schon vor 30 Jahren gegangen ist."