Super-Gau in Baia Mare

Stirb langsam

Es ist eine Goldgrube - für westliche Firmen. Seit 1996 hat das australisch-rumänische Unternehmen Aurul in Baia Mare, nahe den Karpaten, den Abbau des Edelmetalls betrieben. Das Geschäft ist lukrativ, Rücksicht brauchen die Betreiber nicht zu nehmen. Auch nicht, als im Goldbergwerk die Dämme brechen und giftige Abwässer in die Theiß gelangen. Zwischen dem Unfall und der Giftwelle könne er keinen Zusammenhang erkennen, erklärte Brett Montgomery, Aufsichtsratsvorsitzender von Esmeralda Exploration, der Haupteigentümerin von Aural.

Für die Menschen in Baia Mare bedeutet die Goldmine hingegen einen Tod auf Raten. Dort war schon vor dem ökologische Super-Gau alles vom Gift verseucht: Boden, Wasser, Luft und auch die Bewohner. Die Lebenserwartung beträgt in der Gegend etwa 52 Jahre, jeder Dritte ist bereits erkrankt. Jetzt kommt noch der Dammbruch im Goldbergwerk hinzu. »Wir werden sterben wie die Fische«, sagen die Bewohner von Baia Mare.

Sie könnten Recht behalten. Eine Zyanid-Dosis von 2,6 Milligramm pro Liter Blut reicht aus, um nach wenigen Minuten den Tod herbeizuführen. Wird es eingeatmet, zerfrisst das Gift regelrecht die Atemwege. Etwa 100 Tonnen zyanidhaltiger Klärschlamm sind in die Theiß geflossen.

Von dort aus breitete sich die Welle nach Ungarn und Serbien aus. In Westrumänien wurde der Wassernotstand ausgerufen, das Donau-Delta, eine der letzten intakten Biosphären in Europa, ist akut bedroht. Die Zyanid-Welle hat auf ihrem Weg »praktisch alles Leben ausgerottet«, stellt der World Wide Fund of Nature (WWF) fest. »Das gesamte Öko-System und alles Leben ist in der Theiß für zehn bis 15 Jahre zerstört«, sagte der serbische Umweltminister Branislav Blazic. Der »Unfall« sei die größte Umwelt-Katastrophe seit Tschernobyl.

Die größte Katastrophe? Schwer zu sagen, was wirklich schlimmer ist. Allein die toten Fische in der Donau, ein ökologisches Desaster, das vermutlich zukunftsweisend ist? Oder die soziale Lage, die dort wieder an die Zeiten von Marx und Engels erinnert?

Orte wie Baia Mare gibt es in Osteuropa viele. Das hat auch die EU bemerkt, die gerade mit den Beitrittsverhandlungen begonnen hat. Jetzt wird Druck gemacht. So kann das nicht weiter gehen. »Wie können die postkommunistischen Beitrittskandidaten ihre marode Industrie auf westliche Standards trimmen?« fragt besorgt der Spiegel.

Sie könnten sich ja ein Beispiel an der britischen Atom-Industrie nehmen. Um ihren Müll besser zu verkaufen, fälschten die Betreiber der Wiederaufbereitsanlage in Sellafield jahrelang die Sicherheitsberichte, wie sich vergangene Woche herausstellte. Oder an dem französischen Energiekonzern TotalFina. Um Kosten einzusparen, schickt der Konzern gerne schrottreife Tanker auf die Reise. Vergangenen Dezember sank einer vor der bretonischen Atlantikküste. Die Gegend ist nun für die nächsten Jahre mit Öl verpestet.

Zumindest in der ökologischen Frage gleichen sich Ost- und Westeuropa somit langsam an. Dass Länder wie Rumänien sich besonders gut als profitträchtige Dreckschleudern eignen, ist bekannt. Doch in Zeiten des globalen Standortwettbewerbs drohen nun auch die Zentren des Kapitalismus an ihrem eigenen Gift zu ersticken.