Vorbild Österreich

Jörg Haiders FPÖ dient den rechtsextremen Parteien in Frankreich und Italien als Modell - obwohl sie in vielen Punkten nicht mit den Freiheitlichen übereinstimmen.

An großspurigen Parolen herrschte kein Mangel. »Heute Österreich und morgen Frankreich!« skandierten rund 500 Anhänger des rechtsextremen Politikers Bruno Mégret Anfang Februar bei einer Kundgebung in Paris. Die Pro-Haider-Demonstration ist kein Einzelfall. Zwar überwiegen auch in Paris deutlich die Proteste gegen den Nationalpopulisten aus Österreich. Aber sowohl in Frankreich wie in Italien machten in den letzten Wochen neofaschistische Organisationen für das »Modell Österreich« mobil.

Die extreme Rechte in diesen Ländern ist fasziniert von dem Erfolg des Mannes aus dem Bärental - obwohl sie in vielen Punkten kaum Gemeinsamkeiten aufweisen. Insbesondere im Vergleich zu den französischen Rechtsextremisten entwickelte sich die FPÖ aus sehr unterschiedlichen ideologischen Traditionen.

Die Haider-Partei stammt aus der Tradition des (großdeutschen) »Dritten Lagers«, dem sich in Österreich seit dem späten 19. Jahrhundert die Liberalen - die für einen modernen Nationalstaat und gegen die Habsburger Monarchie eintraten - zurechneten. Allerdings fand sich das Bürgertum mit finsteren Blut-und-Boden-Nationalisten im gleichen Lager wieder. Beide hatten dieselben Gegner: die konservativen Rechten, die nicht im modernen Sinne »national«, sondern in erster Linie katholisch waren und die der multinationalen Donau-Monarchie verbunden blieben. Auf der anderen Seite bildete die sozialistische Arbeiterbewegung den gemeinsamen Feind. Eine bedeutende Rolle spielte dabei die Tatsache, dass das Bürgertum schwach war und - im Gegensatz zur französischen Bourgeoisie - über keine eigenständige, der Aufklärung verpflichtete Ideologie verfügte.

Die FPÖ hat bis heute diesen Doppelcharakter beibehalten. Sie vertritt daher in viel stärkerem Maße die Interessen des Bürgertums als etwa der französische Front National, was sich beispielsweise in ihrer strammen wirtschaftsliberalen Ausrichtung zeigt. Das hindert die rechtsextremen Parteien jedoch nicht daran, sich positiv auf das österreichische »Experiment« zu beziehen - als erste ausländischen Politiker begrüßten die französische Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen und die italienische Duce-Enkelin Alessandra Mussolini die Koalitionsverhandlungen in Wien.

So erklärte Le Pen Ende Januar, Jörg Haider sei das »Opfer einer internationalen Anschwärzungs-Kampagne«, und insbesondere Israel tue besser daran, sich um die eigenen Belange zu kümmern. »Es hat Herrn Haider nichts genützt, mir aus dem Weg zu gehen, denn der Nationalismus wird heute an sich schon als Verbrechen angesehen«, fügte der Chef des Front National (FN) hinzu. Haider hatte sich in der Vergangenheit wiederholt von Le Pen distanziert, da er die (neo-) gaullistischen Rechten als potenzielle europäische Bündnispartner vorzieht. » Dennoch gab sich Le Pen versöhnlich. Die Koalition in Wien diene »der Sache der nationalen Rechten in Europa»; damit sei »bewiesen, dass die Nationalen unter bestimmten Umständen an die Macht kommen können«.

Le Pens rechtsextremer Rivale Bruno Mégret wollte seinem Erzfeind das Thema nicht alleine überlassen. Aktivisten seiner MNR (Nationale und republikanische Bewegung) demonstrierten vor der österreichischen Botschaft in Paris. Mégret bezeichnete den Regierungseintritt der FPÖ als »Zeichen des Schicksals«, das seiner eigenen Partei den Weg weise. Er prangerte zugleich das Verhalten der EU an, die »offen die muslimische Türkei dem nationalen Österreich vorzieht«.

Auch in Italien kam es zu Pro-Haider-Kundgebungen. So hielten die militante Splitterpartei Fuerza Nueva und der neofaschistische MSI Kundgebungen vor der österreichischen Botschaft in Rom ab.

Bei der MSI handelt es sich um die Reste der früheren Großpartei, die 1995 die Umwandlung in die postfaschistische Alleanza Nazionale ablehnten.

Die AN schien sich anfangs unschlüssig zu sein, wie sie die Koalition zwischen FPÖ und ÖVP beurteilen sollte. Während Allessandra Mussolini sich Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit zwischen AN und FPÖ machte, grenzte sich ihr Parteichef Gianfranco Fini mit scharfen Worten von Jörg Haider ab. »Haiders Rechte ist gegen Europa, sie ist gegen die Integration der Ausländer und plant sogar getrennte Schulen für die Immigranten«, erklärte Fini Anfang Februar in Rom. »Unsere AN ist eine Partei von Patrioten, während Haiders Partei nationalistisch gesinnt ist. Sie wolle sogar die Rückkehr Südtirols« zu Österreich. Fini zieht andere Bündnispartner vor. Im Europa-Parlament gehören die AN-Vertreter einer gemeinsamen Fraktion mit den vereinigten nationalistischen Konservativen um den Gaullisten Charles Pasqua und den Rechtskatholiken Philippe de Villiers an.

Als zweite Kraft bezog sich in Italien die regionalistische und rassistische Lega Nord unter Umberto Bossi auf Haider. Bossi, der seit Jahren mit Jörg Haider in Kontakt steht, hatte mit ihm zusammen 1994 das Buch »Europa der Regionen« verfasst. Bossi lud Haider kurz nach der Regierungsübernahme auch prompt zu einem Besuch nach Venedig ein. FPÖ und Lega Nord hatten Mitte der neunziger Jahre zueinander gefunden, als Jörg Haider sich unter dem Eindruck von Globalisierung und verschärftem ökonomischem Wettbewerb vom klassischem Nationalstaat und damit auch vom »großdeutschen« Ziel verabschiedet und sich erstmals positiv zur »österreichischen Nation« bekannt hatte. Mit Bossi verbindet ihn die Auffassung, dass nur kleine und tendenziell sozial homogene (in ihren Augen auch »ethnisch« homogene) Gebilde überlebensfähig seien und als Identitätsbezug taugten.

Diese »moderne« Neuorientierung, die den Ideologen der Neuen Rechten entspricht, findet auch in anderen westeuropäischen, rechtsextremen Parteien statt. Der MNR Bruno Mégrets setzte sich etwa in Frankreich im Sommer 1999 für die Ratifizierung der »europäischen Charta für regionale Sprachen« ein, die vom Front National ebenso wie von der konservativen Rechten als Bedrohung für die Einheit der französischen Staatsnation bekämpft wird.