Arbeitsverbot für Flüchtlinge

Inländer zuerst

Das Arbeitsverbot für Flüchtlinge soll gelockert werden - nach einer Wartezeit. In ausgesuchten Berufen dürfen sie dann die Jobs erledigen, für die Deutsche sich zu schade sind.

Der graue Betonbau im Westen Kölns steht einige Meter von der Straße entfernt. Trotzdem dringt der Lärm von der Hauptverkehrsachse bis in die hintersten Zimmer. Auf dem asphaltierten Hof vor dem Gebäude türmen sich alte Einkaufswagen, ein abgemeldetes Auto steht herum, Kinder spielen zwischen Müllhaufen.

Früher beherbergte das Haus noch eine Fabrik. Heute arbeitet hier niemand mehr - außer dem Hausmeister. Der Bau ist zu einem Wohnheim für Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge umfunktioniert worden. Und die dürfen nicht arbeiten, sofern sie nach dem 15. Mai 1997 eingereist sind.

Im dritten Stock wohnt Atif M. mit seiner Frau Ahma und fünf Kindern. Der Roma flüchtete vor elf Jahren nach Deutschland, zwei Asylanträge wurden abgelehnt. Für die drei kleinsten seiner Kinder sind derzeit Asylverfahren anhängig, deshalb ist er noch nicht abgeschoben worden. Die siebenköpfige Familie teilt sich zwei Zimmer, insgesamt vierzig Quadratmeter. Zum Kaffeekochen muss Ahma auf den Gang gehen. »Das ist kein Leben hier in diesem Loch«, klagt Atif. »Warum kann ich nicht arbeiten gehen? Ich bin stark und gesund.«

Diesen Wunsch hegen die meisten der mit einem Arbeitsverbot belegten Flüchtlinge. »Gerade für Männer ist Arbeit eine wichtige psychologische Komponente«, meint Klaus Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. Aber auch Atifs Frau, die 40jährige Ahma, würde gerne arbeiten.

Die letzten elf Jahre erhielt Atif keine Arbeitserlaubnis. »Den ganzen Tag nur fernsehen, spazieren gehen, mit den Kindern spielen. Da wirst du verrückt«, beschreibt der 41jährige Mann seinen Alltag. Als die Rede auf die gesetzliche Neuregelung des Arbeitsverbots für Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge und geduldete Ausländer kommt, horcht Atif auf: »Das wäre wunderbar. Ich will für meine Familie sorgen können.«

Eine Arbeitsgruppe im Berliner Kanzleramt hat vor wenigen Wochen einen Entwurf zur Lockerung des Arbeitsverbotes für Flüchtlinge vorgelegt. Der Text klingt nüchtern: »Asylbewerbern und Geduldeten wird zukünftig nach einer Wartezeit von zwölf Monaten der Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet. Die Vorrangprüfung bleibt erhalten.« Das Bundesarbeitsministerium geht von 118 000 unter Arbeitsverbot stehenden Flüchtlingen aus.

Bernd Knopf, Pressesprecher der Bundesausländerbeauftragten Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen) gesteht: »Ein Durchbruch ist das nicht.« Vorm Erlass von 1997, den der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) durchgesetzt hatte, betrug die Wartezeit drei Monate. Für alle, die nach dem 15. Mai 1997 einreisten, galt fortan ein absolutes Arbeitsverbot.

Seitdem auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) für eine Kürzung der Verbotsfrist auf drei Monate plädiert hat, wittert Knopf eine Chance. »Wir werden versuchen, da noch was rauszuschlagen.« Ihre ursprüngliche Absicht, das Arbeitsverbot völlig aufzuheben, haben die Grünen offensichtlich begraben. Nun also eine Neuregelung, »die auf halbem Weg stehen geblieben ist«, wie Günther Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl in Frankfurt meint. »Jede Frist ist zu lang, weil Flüchtlinge damit stigmatisiert werden«, moniert Burkhardt und weist auf die größte Hürde hin, die trotz Neuregelung bestehen bleiben wird: der Inländervorrang. An ihm wollten auch die Grünen nicht rütteln.

Doch dass Arbeit zuerst an Deutsche vergeben wird, ist eine der wichtigsten Ursachen dafür, dass Menschen wie Atif keinen Job bekommen. Zum Inländervorrang kommen Berufsverbotslisten der Landesarbeitsministerien. In Nordrhein-Westfalen weist die aktuelle Liste 60 Berufe auf, die nicht an Ausländer vergeben werden dürfen. Ausnahme: EU-Ausländer. Die lokalen Arbeitsämter können je nach Gusto weitere Jobs hinzufügen, streichen dürfen sie keine. »Viele dieser Berufe wären gerade für Asylbewerber chancenreich«, erklärt Prölß und prangert die »perverse Situation« an, dass ein Albaner nicht am Balkangrill arbeiten darf, weil sich der Arbeitgeber einen Deutschen suchen muss.

»Besonders auf dem flachen Land wird der Inländervorrang eine hohe Hürde darstellen«, sagt Knopf. Wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, wie etwa in weiten Teilen Ostdeutschlands, wird es für arbeitsuchende Ausländer äußerst schwierig. Schlecht bezahlte Arbeit wollen viele Deutsche nicht annehmen, weil ihnen nach Beendigung eines solchen Arbeitsverhältnisses das Arbeitslosengeld gekürzt würde. Wegen des Inländervorrangs oder der roten Listen der Arbeitsämter können aber auch keine Ausländer die Arbeit machen, obwohl sich deren Situation damit oft verbessern würde.

Diese Logik hat auch Fabian M. verstanden. Der 43jährige Albaner flüchtete vor knapp einem Jahr nach Deutschland, weil er in seiner Herkunftsstadt Skodra religiöser Verfolgung ausgesetzt war. In Albanien hatte er als Pförtner gearbeitet. Er starrt in den Fernseher und raucht eine Zigarette. Die Frage nach Arbeitsmöglichkeiten kommentiert er lakonisch: »Zuerst bekommen die Deutschen Arbeit, dann die Menschen aus der EU, dann die Gastarbeiter und dann ist nichts mehr übrig.« Er würde sofort in der Küche eines Restaurants arbeiten, wenn man ihn denn ließe. Die letzten zehn Monate hat er hauptsächlich vor dem Fernseher verbracht. Deutsch kann er noch nicht. Aber er habe ein Lehrbuch und versuche, ein bisschen beim Fernsehen zu lernen. Einen Sprachkurs kann er sich von den 400 Mark, die ihm monatlich zur Verfügung stehen, nicht leisten.

Über einen Mangel an Arbeitsangeboten kann sich Ahmed S. aus dem Kosovo dagegen nicht beklagen. »Jeden Tag kommen hier Leute von Möbeltransportunternehmen oder von Handwerksbetrieben und fragen mich, ob ich arbeiten will. Aber ich darf ja nicht.« Für einen Hungerlohn, wie ihn die Stadt Köln anbietet, will der 44jährige Kosovo-Albaner nicht arbeiten. Zwei Mark pro Stunde findet der vierfache Vater »menschenunwürdig«. Über den Plan der Bundesregierung ist er nicht informiert. Er lässt sich die Telefonnummer des Kölner Flüchtlingsrats geben, um sich auf dem Laufenden zu halten. Mangelnde Information wird auch in Zukunft vielen Ausländern den Zugang zum Arbeitsmarkt verwehren. An eine Aufklärungskampagne hat man im Arbeitsministerium bislang nicht gedacht.

Prölß und seine Mitarbeiter beim Flüchtlingsrat zählen zu den wenigen, die diese Aufklärungsarbeit übernehmen. Sollte die Vorlage aus dem Kanzleramt in Kraft treten, wäre das »eine deutliche Verbesserung«. Aber Prölß bleibt skeptisch: »Noch ist die Vereinbarung nicht umgesetzt.«

Knopf ist da optimistischer. Gefahr aus der Opposition sieht er nicht: »Kritik wird wohl von der Union kommen«, vermutet der Pressesprecher, »aber die wird nichts am Beschluss ändern.« Die Neuregelung bedürfe einzig einer Billigung im Bundeskabinett. Damit rechnet er in den nächsten Wochen. Zudem haben auch die unionsregierten Länder ein Interesse an der Lockerung des Arbeitsverbotes. Solange der Inländervorrang bleibt, müssen Ausländer sich mit dem begnügen, was Deutsche verschmähen: schlecht bezahlte, körperlich anstrengende Arbeit.