Beach Soccer in Brasilien

Unterm Strand liegt der Fußballplatz

Unbekannte Sportarten VI: Beach Soccer. Auf extrem ungeeignetem Untergrund sind vor allem Freistöße wichtig.

Der Strand genießt in vom Klima begünstigten Ländern als Ausflugsziel, Aufenthaltsort und Traumkulisse für die Idee vom schönen Leben außerordentliche Beliebtheit. Insbesondere gilt dies in einem Land wie Brasilien, in dem einzelne Strände es bis zum Nationalsymbol gebracht haben. Und so pilgern denn die Leute, wann immer sie können, zum Strand, um dort in der Sonne oder im Meer zu baden. Dass dieses selige Nichtstun bisweilen auch recht kuriose Dinge hervorbringen kann, beweist die Existenz des Strandfußballs.

Entstanden ist diese Sportart zweifellos aus Langeweile. Die erbarmungslose Sonne, unterstützt von ein paar Bier, wird das ihre dazu getan haben, dass eine Hand voll Menschen auf die Idee kommen konnte, im knöcheltiefen Sand einem Ball hinterherzujagen. Denn als Untergrund für eine Sportart, Fußball zumal, ist der Strand wahrlich ungeeignet. Mag Beachvolleyball noch angehen, da hier wenigstens der Ball durch die Luft fliegen kann, so ist der Sand dem Fußballspiel doch sehr abträglich.

Deshalb ist es kein Wunder, dass Beach Soccer sich in erster Linie dadurch auszeichnet, dass beinahe alles, was die Akteure auf dem Platz versuchen, misslingt. Die vier Feldspieler einer Mannschaft wühlen sich durch den Sand in dem hoffnungslosen Unterfangen, den unregelmäßig holpernden Ball zu kontrollieren. Da anspruchsvolle Kombinationen kaum Aussicht auf Erfolg haben, wird aus jeder Lage versucht, direkt aufs Tor zu zielen. Die mangelhafte Standfestigkeit führt jedoch dazu, dass die Schüsse eine recht großzügige Streuung aufweisen.

Im Unterschied zum richtigen Fußball beginnt die Gefahr für das Tor beim Futebol de Areia bereits mit dem Anstoß. Die Spieler der verteidigenden Mannschaft versuchen, sich so zu postieren, dass das Tor einigermaßen verriegelt ist, während ein Spieler des angreifenden Teams den Ball für einen Kollegen so anlupft, dass dieser ihn in Richtung Tor dreschen kann - in der Hoffnung, er möge seinen Weg durch die gegnerischen Reihen finden. Nach einem solchen Auftakt einer jeden der drei zwölfminütigen Spielperioden plätschert das Spiel dann vor sich hin, oder vielmehr setzt jenes Gestöbere im Sand ein, das zum Ziel hat, den Ball irgendwie vor das gegnerische Tor zu treiben, ab und zu unterbrochen durch kleine Höhepunkte, wenn mal ein Spieler wirklich den Weg zum Tor gefunden hat.

Wegen der widrigen Bodenverhältnisse sind ähnlich wie beim Kneipenkickern - wo jedoch das Spielfeld in erheblich besserem Zustand ist - Schüsse aus der dritten Reihe ein probates Mittel zum Erfolg. Besonders beliebt, respektive gefürchtet, sind Freistöße. Weil der Gegner keine Mauer bilden darf, ist der Weg zum Tor unverstellt. Und da bei dem weichen Geläuf alle Nase lang jemand hinfällt, gilt es jedes Mal, beim Schiedsrichter den glaubhaften Eindruck zu hinterlassen, es sei der Gegenspieler gewesen, der einen am Weiterlaufen gehindert habe.

Dem Schiedsrichter kommt deshalb in noch stärkerem Masse als beim normalen Fußball eine Schlüsselrolle zu. Denn spätestens ab der Mittellinie ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Freistoß zu einem Tor führt, größer, als dass Torwart oder Pfosten ihn abwehren können. Um zu gewinnen, spekulieren also alle Mannschaften auf solche Quasi-Elfmeter.

Andererseits strahlen, da im Sand alles so kompliziert ist, gelungene Aktionen nur umso heller. Um dies zu demonstrieren, hatten sich zwischen dem 20. und dem 26. November die weltbesten Sandfußballer in Fortaleza getroffen, um die fünften Brasilianischen Meisterschaften in dieser Sportart auszutragen. Nicht Vereine, sondern Vertretungen der einzelnen Bundesstaaten bewarben sich um den Titel. Als einziger Bundesstaat ohne richtige Strände war Minas Gerais mit von der Partie. Die Mannschaft war denn auch chancenlos und konnte nach zwei Vorrundenniederlagen die Heimreise ins bergige Hinterland antreten.

Erwartungsgemäß buddelten sich die favorisierte Mannschaft aus São Paulo, der zweimalige Champion Rio de Janeiro und der Titelverteidiger Espírito Santo bis ins Halbfinale. Komplettiert wurde dieses Feld durch die Überraschungsmannschaft aus Rio Grande do Norte, die die Hoffnungen des Nordostens zu tragen hatte. In der Tat war die Geschmeidigkeit, mit der sich Spieler wie Pablo (Espírito Santo) oder Neném (Rio de Janeiro) im Sand bewegten, beeindruckend, kaum dass sie mal lagen, waren sie augenblicklich auch schon wieder aufgestanden, um weiter zu stochern und zu wühlen.

Dunkel kamen Erinnerungen an den Biologieunterricht hoch, die Sache mit der Adaption an die ungünstigen Verhältnisse, die in ökologischen Nischen herrschen. Espírito Santo konnte aber dem Publikum wie dem Gegner auch mit rosa-himmelblauen Trikots imponieren. Im Halbfinale jedenfalls schienen sich die Spieler aus Rio davon etwas ablenken zu lassen, sie kamen nur mit viel Glück und dank einer etwas zweifelhaften Schiedsrichterentscheidung in die Verlängerung. Beim Strafstoßtreten setzten sich dann aber die himmelblauen Leibchen mit den rosa Ärmeln durch.

Im Finale gegen São Paulo schaffte Espírito Santo es noch einmal, innerhalb von einer Minute aus einem 0:3-Rückstand ein 3:3 zu machen. Danach fielen aber keine weiteren Tore, und so musste wieder das Sieben-Meter-Schießen - oder aus welcher Entfernung auch immer geschossen wird - über den Sieg entscheiden. Diesmal hatte Espírito Santo weniger Glück. Jorginho, dem Spieler, der im Endspiel das wohl schönste Tor des Turniers erzielt hatte, als er einen Abwurf seines Torwarts direkt aus der Luft per Fallrückzieher ins Tor beförderte, blieb es vorbehalten, den entscheidenden Penalty für São Paulo zu verwandeln.

Alles in allem ist Beach Soccer wohl als Teil des brasilianischen Programms anzusehen, unterschiedliche Beläge auf ihre Tauglichkeit zum Fußballspielen zu testen, das Spiel anschließend dort, da die Vorherrschaft auf dem Rasen mehr und mehr bröckelt, zur Perfektion zu bringen, um dann jene Länder, die diese Spiele zu kopieren versuchen, auf Weltmeisterschaften vorführen zu können. Gäbe es in Brasilien Eisflächen, würde Eishockey wohl kaum mit Puck und Schläger gespielt.

Bei der vorletzte Woche in Guatemala ausgetragenen Weltmeisterschaft im Hallenfußball wurden die Gastgeber zwar in der Vorrunde noch mit 29:2 von Brasilien zu Statisten degradiert, Spanien aber führte dort eine erfolgreiche Strategie vor, wie man die brasilianische Dominanz brechen kann: Man bürgert einfach ausreichend Brasilianer ein und schlägt dann das Mutterland im Finale mit 4:3.