Leonard Peltier bleibt in Haft

Daumen nach unten

Trotz seiner großen Worte über das »One America« und den Ausgleich »historischer Ungerechtigkeiten« zeigte William Clinton mit einem Menschen kein Erbarmen: Leonard Peltier, 56 Jahre alt, ist seit seinem 31. Lebensjahr politischer Gefangener in den USA, er sitzt im Bundesgefängnis Leavenworth in Kansas ein. Bei seiner planmäßigen Entlassung im Jahre 2041 wäre der Aktivist des American Indian Movement (AIM) 97 Jahre alt.

Der scheidende Präsident hatte noch nach Weihnachten einen Berg an Begnadigungsgesuchen zu bearbeiten. Zu den Gewinnern der Gnadenlotterie zählten u.a. Susan McDougal, seine Geschäftspartnerin in einem dubiosen Immobiliengeschäft, Clintons Bruder Roger und der ehemalige CIA-Chef John Deutch, der wegen fahrlässigen Umgangs mit Geheimdokumenten unter Anklage stand. Bei Peltiers Antrag, der seit einigen Jahren im Justizministerium lag, wies Clintons Daumen nach unten.

Peltier wird vorgeworfen, 1975 zwei FBI-Agenten im Pine Ridge-Reservat erschossen zu haben. In diesem Reservat, das noch heute zu den ärmsten Gegenden der USA zählt, herrschten damals kriegsähnliche Zustände. Die Proteste der AIM gegen die »gebrochenen Verträge« der US-amerikanischen Regierung und Landbesetzungen waren auf ihrem Höhepunkt angelangt. Weiße, FBI-Agenten und indianische Kollaborateure attackierten AIM-Aktivisten und traditionelle IndianerInnen. Da die Anzahl der ermordet aufgefundenen AIM-AnhängerInnen im Pine Ridge-Reservat beständig wuchs, baten die Ältesten des Reservats das AIM darum, sie vor dem Terror zu schützen. In der Hoffnung, weitere Angriffe abwehren zu können, errichtete Peltier gemeinsam mit anderen eine kleine Zeltstadt. Als am 26. Juni zwei FBI-Agenten in einem ungekennzeichneten Auto mit hoher Geschwindigkeit auf dieses Grundstück fuhren, kam es zu einem Schusswechsel, bei dem die beiden Polizisten und ein Indianer getötet wurden.

Eine weiße Jury verurteilte Peltier 1977 wegen des angeblichen Mordes zu zweimal lebenslänglich - erwiesenermaßen auf der Grundlage erpresster Zeugenaussagen und gefälschter Beweise. Das überwältigende Entlastungsmaterial und die öffentliche Erklärung des damaligen Anklägers, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht wüssten, wer die beiden FBI-Agenten getötet habe, konnten Clinton ebensowenig erweichen wie Peltiers kritischer Gesundheitszustand und die große Zahl der Petitionen. Amnesty International erkennt Peltier mittlerweile als politischen Gefangenen an. Auch an prominenten Unterstützern mangelt es nicht: Nelson Mandela, Rigoberta Menchu, Whoopy Goldberg und Robert Redford fordern seine Freilassung.

Beamte der FBI dagegen wollen Peltiers Begnadigung auf jeden Fall verhindern. Über 300 FBI-Agenten demonstrierten deshalb Mitte Dezember in Washington. Auch der FBI-Direktor Louis J. Freeh setzte sich vehement dafür ein, dass Clinton von einer Begnadigung absieht. Ebenso der Republikaner William Janklow, South Dakotas Gouverneur und 1975 Attorney General, der damals erklärt hatte: »Der einzige Weg, das Indianerproblem in South Dakota zu lösen, ist, den AIM-Führern eine Pistole an den Kopf zu halten und abzudrücken.« Er wurde von Clinton kurz vor Weihnachten ins Weiße Haus eingeladen, um über den Fall Peltier zu beraten. Der Präsident fand seinen Gesprächspartner, wie die Los Angeles Times berichtete, »glaubwürdig und wichtig«.