Barrichellos Unfälle

Lieb, aber langweilig

»Rubiiiinho!« Was sich anhörte wie der sanfte Tadel eines im Grunde geduldigen Vaters angesichts des jüngsten Malheurs seines fünfjährigen Sohnes, war in Wirklichkeit der fassungslose Kommentar zu jenem Manöver des brasilianischen Formel-1-Piloten Rubens Barrichello, das ihn am vorletzten Sonntag aus dem Grand Prix in São Paulo katapultierte.

Bereits in der dritten Runde hatte Barrichello seinen Ferrari in das Heck des vor ihm fahrenden Williams von Ralf Schumacher gesteuert, dabei das linke Vorderrad verloren und so einmal mehr die Hoffnungen seiner Landsleute enttäuscht. Nichts Neues - in São Paulo hat er während seiner neunjährigen Karriere in der Formel 1 achtmal das Ziel nicht gesehen. Diesmal gab er aber eine besonders unglückliche Figur ab.

Schon als die Teams Mitte der Woche in São Paulo eintrafen, war man bei Ferrari darauf bedacht zu verhindern, dass Rubinho allzu viel mit der Presse spricht und dadurch womöglich dem Krisengerede nach den Streitigkeiten zwischen ihm und Michael Schumacher beim Grand Prix von Malaysia neue Nahrung geben könnte. Aber nicht nur die Berater von Ferrari begleiteten ihn auf Schritt und Tritt, sondern auch die Gerüchte, dass diese Saison seine letzte im italienischen Rennstall sein könnte. Da beim Training nicht viel klappte, war es für ihn beinahe noch das Erfreulichste, dass die Meldungen vom Diebstahl von sieben Computern bei Jaguar und acht Reifen bei Minardi ihn vor dem Rennen aus den Schlagzeilen brachten.

Geholfen hat ihm das jedoch nicht. Und die Art und Weise, wie er an jenem ersten April ausschied, konnte man schon für einen schlechten Scherz halten. Die brasilianischen Medien reagierten unterschiedlich. Meistens wurde der Unfall sehr verhalten kommentiert, auch die Tatsache, dass die Rennleitung schließlich beide Fahrer verwarnte. Zwischen den Zeilen ließ man aber schon durchblicken, dass Barrichello einen Fehler gemacht habe.

Für bestimmte Kommentatoren jedoch hatte er mit dem neuerlichen Scheitern seinen Status als Zielscheibe von Hohn und Spott nur bestätigt. Um die Rolle, die er zu spielen hat, ist er nicht zu beneiden, sieht man einmal von den geschätzten acht Millionen US-Dollar Jahreseinkommen ab. Spätestens seit 1994, als Ayrton Senna, so eine Art motorisierter Pelé, starb, war Barrichello dazu ausersehen, diese Lücke zu schließen.

Dass dies ein von vornherein hoffnungsloses Unterfangen sein würde, ahnte aber eigentlich jeder. Und so versucht er nun, Rennen für Rennen die Hoffnungen zu erfüllen und endlich das Erbe Sennas anzutreten. Zweifellos ein talentierter Rennfahrer, hat er jedoch wenig zu bieten, er lieferte immer nur ordentliche Ergebnisse. Im Privatleben gilt er als biederer Familienmensch. Kann sich Teamkollege Michael Schumacher auch außerhalb der Rennstrecke durch seinen etwas dumpfen Humor und eine gewisse Skrupellosigkeit hervortun, gilt für Barrichello: lieb, aber langweilig.

Bei allem Pech für ihn hatte der Grand Prix von Brasilien aber doch noch etwas Gutes. Der Sorge nämlich, dass Michael Schumacher zum vierten Mal Weltmeister werden könnte, ist man seither ledig. Champion wird dieses Jahr David Coulthard. Jedenfalls dann, wenn das Gesetz der Serie seine Gültigkeit behält. Neunmal in den letzten elf Jahren wurde der Sieger von São Paulo später auch Weltmeister.