Deutsch-israelische Beziehungen

Ein Freund, ein guter Freund

Als Israels Ministerpräsident Ariel Sharon am vergangenen Donnerstag zu einem Kurzbesuch nach Berlin kam, hatten die politischen Berichterstatter das Terrain bereits abgesteckt. Auf der Rechten widmete die FAZ der Visite Sharons ein Interview auf Seite eins - allerdings nicht mit dem israelischen Premier, sondern mit dem Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde Yassir Arafat. Auf der Linken war die junge welt etwas eleganter. Sie hatte die anti-zionistischen und pro-europäischen Auslassungen direkt bei den israelischen Friedensaktivisten von Gush Shalom bestellt.

Auch in der öffentlich-rechtlichen Mitte fand man deutliche Worte. Das ARD-Mittagsmagazin erklärte Sharon noch einmal, worum es geht: »An 200 000 Siedlern scheitert bisher der Frieden im Nahen Osten.« Doch in aller Ausgewogenheit bekam der »rechte Falke« (Mittagsmagazin) auch Lob. Der »schwierige Freund« (Süddeutsche Zeitung) seinerseits hatte nämlich »lobende Worte gefunden« (Mittagsmagazin), und zwar für Deutschland. So konnte die demokratische Öffentlichkeit sich dann doch noch besorgt und staatstragend fragen: »Was kann Deutschland für den Frieden im Nahen Osten konkret tun?« (Mittagsmagazin) Die Antwort darauf wiederum wusste der Tagesspiegel: »Manchmal hilft ein wenig Druck.«

So offen würde Bundeskanzler Gerhard Schröder das gewiss nicht sagen. Doch mithilfe diplomatischer Formulierungen übte er genau diesen Druck aus. Deutschland sei ein »Freund Israels«, betonte Schröder. Und »in aller Freundschaft« gab er seinem Gast zu verstehen, dass in Deutschland die Sympathien eher den Palästinensern gelten. Sharon müsse in der Siedlungsfrage »mehr Flexibilität zeigen«, mahnte der Kanzler und verwies auf den deutschen Exportschlager »Selbstbestimmungsrecht der Völker«. Dass Schröders Beteuerung, Deutschland setze sich für das »unbeeinträchtigte Existenzrecht Israels« ein, nicht allzu ernst zu nehmen ist, offenbarte ein in der Frankfurter Rundschau anonym zitierter SPD-Außenpolitiker: Sharon müsse zeigen, ob er »nach vorne« gehen wolle oder sich weiter hinter »Sicherheitsargumenten verstecke«.

Für die Hardliner vom Mittagsmagazin war allerdings klar, dass Schröder nicht den Mumm habe, »eine Säule der Staatsräson« Israels, »nämlich die Landnahme nach biblischem Vorbild«, entschieden zu kritisieren. Gemeint war die Siedlungspolitik. Das ZDF sagte Sharon schon mal voraus, dass ihn auf der nächsten Station seiner Europareise in Paris »deutliche Worte erwarten würden zur Notwendigkeit des Siedlungsstopps in den Palästinensergebieten«. Das hatte Schröder eigentlich auch gemeint, nur diplomatischer formuliert: »Deutschland sieht seine Rolle im Rahmen der Europäischen Union.«

Im Gegenzug übernimmt Berlin diese Woche von Paris einen Gast, der als ausgewiesener Antisemit einige Unfreundlichkeiten verdient hätte. Anfang dieser Woche wurde der syrische Staatspräsident Bashar al-Assad erwartet. In Frankreich protestierten sogar hohe Politiker gegen Assads Besuch Ende Juni. So hielt ein liberaler Stadtverordneter Assad ein Plakat mit der Aufschrift »Assad - Antisemit« entgegen. Ob sich etwa Günther Rexrodt oder Guido Westerwelle zu einer ähnlichen Plakataktion hinreißen lassen werden?

Wohl kaum. Es ist auch unwahrscheinlich, dass die FAZ anlässlich des Besuches von Assad ein Interview mit Simon Peres, dem israelischen Außenminister, führt oder dass die junge welt syrische Oppositionelle zu Wort kommen lässt. Die antisemitische Hochburg Damaskus ist für Berlin ja auch kein »Freund« wie Israel, sondern bloß Partner. Deutsche Gastfreundschaft - wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.