Wer soll Kanzlerkanditat der Union werden?

Stoiber stinkt

Merkel soll bleiben, wo sie ist: an der Spitze. Den rassigen Wahlkampf eines Stoiber braucht niemand

Zu den vielen hundsgemeinen Schläfern, die seit dem 11. September hellwach sind, gehört Edmund Stoiber. Schon am Tag X war mir klar, dass alles, was auf die Anschläge folgt, mindestens ins Katastrophische tendieren würde und dass aus diesem Ereignis nichts, aber auch gar nichts Positives folgen konnte. Noch am selben Tag stellte ich ein paar düstere Prognosen, von denen sich einige bewahrheitet haben (»Krieg«), andere sich als blanker Unfug erwiesen (»Rassenunruhen«), und wieder andere können zum jetzigen Zeitpunkt weder als richtig noch als falsch eingestuft werden (»Stoiber«). Allerdings zeichnen sich in der K-Frage gewisse Wahrscheinlichkeiten ab.

Sprich, Orakel, sprich. Stoiber, und nicht Angela Merkel, sagt es, wird das Rennen um die Kanzlerkandidatur machen, denn die Sterne stehen günstig für ihn und seine Hardcore-Politik, und das ist scheiße so!

Okay, sie ist nicht die Frau unserer Träume, sie ist auch nicht die Frau, um derentwillen meine Schwestern irgendwann ihre BHs verbrannten und schon gar nicht die Frau, von der ein paar Visionäre sprachen, als sie behaupteten, dass die Zukunft weiblich ist. Ich werde sie auch nicht wählen, und zwar einfach deshalb nicht, weil Merkel in der CDU ist und weil immer noch gilt, dass es keine richtige Lady auf der falschen Party geben kann. Aber Stoiber? Noch ganz bei Trost? Dem ist sie noch tausendmal vorzuziehen.

Zu wünschen, dass Merkel von Stoiber entmachtet wird und dann allmählich in der Versenkung verschwindet, dafür gibt es nur einen einzigen Grund: Man müsste nicht mehr so viel Quatsch über diese Frau lesen, z.B. über ihre angebliche Frisur, die sie in Wahrheit ja gar nicht hat. Sie läuft doch mit irgendwie ganz unkompliziert geschnitten Haaren herum, während Stoiber seit Jahr und Tag und von keinerlei Kritik behelligt eine echte Frisur spazieren führt. Diese eigenartig starre Formation auf seinem Kopf nenne ich jedenfalls eine Frisur.

Und wenn wir schon bei starren Formationen sind. Angela Merkel plant die »Wir-Gesellschaft«, na und? Klingt doch schon mal erheblich moderner als das »Vaterland«, auf das sich Stoiber so gerne beruft. Klingt! Genau, denn darauf kommt es eben auch an, und einer muss schon taub und blind sein, wenn er die Unterschiede zwischen dem autoritär geerdeten Stoiber und der auf Konsens genordeten Merkel mit der »Alles Rassisten«-Formel vom Tisch wischen will. Auch wenn und gerade weil die Programme von CDU und CSU sich immer weiter angleichen - so wie sich die von SPD und CDU auch nur noch in einigen Punkten unterscheiden -, ergeben sich die Differenzen eben auch aus den Rhetoriken, Gesten und Stilen, sodass es nicht egal ist, ob jemand »Volk« oder »Gesellschaft« sagt. (Ein lustiger Satz in einer Zeitung, die eine eigene Seite hat, auf die sie Leute packt, die zu oft »Volk« sagen und schreiben.) Merkel ist vielleicht eine gemäßigt konservative Sozialingenieurin; sie irgendwie ins selbe völkische Eck stellen zu wollen, aus dem ein Stoiber kommt, ist großer Bullshit. Deshalb kann es einem auch nicht völlig egal sein, wer von den beiden mit welchen Worten im Sommer die Marktplätze beschallt.

Wenn man sich allerdings nach mächtigen Feinden und klaren Fronten sehnt und sich um 16 Ecken irgendwie zur Revolution denkt, muss man nicht nur unbedingt dafür sein, dass Stoiber kandidiert und einen rassigen Wahlkampf hinlegt, sondern darf sogar noch dann die Sektkorken knallen lassen, wenn er sich schließlich im Final Countdown die seit längerem vakante Führerposition unter den Nagel reißt. Dann würde linksradikale Opposition wieder Spaß machen, dann ginge es echt ab, und irgendwann fiele auch der Reissack in China um, und Umsturz und Aufstand wären da.

Aber hey, Chaostheoretiker der Linken, warum sich dann noch vor Merkel und deren »Führungsschwäche« und mangelnder »Durchsetzungfähigkeit« fürchten?

Das ist doch das eigentliche Problem, das Christdemokraten und Straßenkämpfer gleichermaßen mit Frau Merkel haben: Ihr wird nicht zugetraut, dass sie den Haushalt nach alter Sitte schmeißt und den Laden mal so richtig aufräumt. Da sich die Partei demnächst für die Kandidatur Stoibers entscheiden wird, muss das Chaos aber mal wieder nur Theorie bleiben.