Propalästinensische Demonstration

Intifada in Mitte

Wenn die Freunde Palästinas in Berlin demonstrieren und dabei gegen Israel hetzen, darf die PDS nicht fehlen.

Zunächst traf es am vergangenen Mittwoch einen Solidaritätsabend für Israel, den die Zeitschrift Bahamas veranstalten wollte. Bewaffnete Freunde Palästinas stürmten die Veranstaltung, traten die Eingangstür ein und prügelten auf die Anwesenden mit Knüppeln und Tschakos ein. »Ihr seid schlimmer als die Juden«, brüllten Anhänger der Peoples Front for the Liberation of Palestine (PFLP), der stalinistischen Gruppe Revolutionary International Movement (RIM) und Mitglieder der trotzkistischen Organisation Linksruck.

Am Samstag folgte dann die Demonstration für Palästina am Alexanderplatz. Während sich die SPD und die Grünen zurückhielten und weder diese Demonstration noch die für den Sonntag geplante Solidaritätskundgebung für Israel unterstützten, hatte die PDS ihr Herz für das palästinensische Volk entdeckt. Der Landesvorsitzende Stefan Liebich betonte, dass seine Partei die Forderungen der Palästinenser im Großen und Ganzen teile.

Der außenpolitische Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gehrcke, verkündete vor der Demonstration, bei der er dann als Redner auftrat, nötig sei ein sofortiges Ende der israelischen Kampfhandlungen in palästinensischen Gebieten. Der internationale Druck auf Israel müsse erhöht werden. Die Bundesregierung solle deshalb die Kündigung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel betreiben. Von Selbstmordattentaten war in seiner Erklärung nicht die Rede.

Gehrcke trat am Alexanderplatz vor eine aus dem gesamten Bundesgebiet angereiste Menge von über 10 000 Demonstranten. »Es ist keine Schuld, die wir auf die Palästinenser abladen können, indem wir glauben, unser Preis sei das Schweigen zu ihrer Not«, erläuterte Gehrcke seine Schlussfolgerung aus den Verbrechen des Nationalsozialismus. Unter dem Jubel der Menge ließ er keine Zweifel an seiner Überzeugung aufkommen: »Sharon, und nicht Arafat, hat die staatsterroristischen Alternativen zu Rabin in Gang gesetzt.«

Der Mann wusste, was er tat. Er trat ohne Skrupel in einer bizarren Umgebung auf. Anhänger der Hizbollah und der Hamas schwenkten ihre Fahnen und verbrannten israelische, in arabischen Sprechchören wurden die palästinensischen Selbstmordattentäter gefeiert und Juden beschimpft.

Palästinensische Mädchen wurden von ihren lachenden Müttern dazu angehalten, bunte Fotos von erschossenen arabischen Babys hochzuhalten, um die Israelis als »feige Kindermörder« zu brandmarken. Auf unzähligen Spruchbändern wurde Israel als »nationalsozialistischer Staat« verunglimpft und mit dem »Dritten Reich« verglichen.

Das Vorgehen der israelischen Armee setzte man geradewegs mit der Shoah gleich: »Stoppt den israelischen Holocaust in Palästina!« war auf einem Spruchband zu lesen. Auf einem anderen: »Der Geist von Auschwitz schwebt über Palästina.« Zwischen Schildern wie »Stoppt die Massenvernichtung« und der perfiden Paul-Celan-Paraphrase »Der Tod ist ein Meister aus Israel« gaben Fundamentalisten ein Passionsspiel, indem sie einen kleinen Jungen in ein Palästinensertuch wickelten und wie eine Märtyrerleiche auf Händen trugen.

Der Eröffnungsredner der Kundgebung machte aus unbestätigten Meldungen über »hunderte von palästinensischen Toten« im Flüchtlingslager Djenin kurzerhand ein »Massaker an Tausenden«. Ein anderer Redner sprach von Sharons »Endlösung«. Die aufgeheizte Menge skandierte dazu: »Sharon ist ein Mörder, Schlächter und Rassist!«

Dabei wurden Bilder des ehemaligen iranischen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini und des jetzigen religiösen Oberhaupts im Iran, des Ayatollah Chamenei, hochgehalten, aber auch Fahnen der UCK aus dem Kosovo geschwenkt. Auf vielen Spruchbändern war der Name »USA« in einen Davidstern eingeschrieben und mit dem Wort »Terrorismus« versehen worden.

So marschierten sie gemeinsam, deutsche Linke und Fundamentalisten, für »den gerechten Kampf des palästinensischen Volkes«. Unter den verteilten Flugblättern fand sich ein von einer »Bewegung der Unterdrückten« unterschriebenes Blatt, in dem behauptet wird, der »Zionismus« habe nicht der Rettung der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus gedient, sondern die Zionisten hätten »mit den Nazis die jüdische Vernichtung geplant«.

Die Revolutionären Kommunisten dagegen bezeichneten Ariel Sharon in einem Flugblatt als Massenmörder und verlangten die Ausrufung eines palästinensischen »Volkskrieges«. Der »revolutionäre Befreiungskrieg« werde »den von den USA unterstützten zionistischen Staat stürzen« und »wie ein reinigendes Feuer« sein.

Gegen Ende der Demonstration fielen dann endgültig alle Hemmungen. Eine Viertelstunde lang wurde die Intifada vor der amerikanischen Botschaft geprobt. Es kam zu weiteren Fahnenverbrennungen, zu Handgreiflichkeiten und Verletzungen. Ähnlichen Szenen spielten sich vor der britischen Botschaft ab. Steine und Latten wurden auf das Gebäude geworfen und zerstörten die Fenster.

Die Demonstration stellte einen Dammbruch dar. Noch niemals ist es hierzulande zu derart offenen antisemitischen Ausfällen auf einer Solidaritätskundgebung für Palästina gekommen. Das Existenzrecht Israels wurde von den Anhängern der Hamas, der Hizbollah und Yassir Arafats offen verneint, wobei Sprüche wie »Juden raus!« noch die harmloseren waren. Und während der palästinensische Generaldelegierte in Deutschland sprach, Abdallah Frangi, grölten deutsche Skinheads »Sharon schwule Sau!« und »Heil Hitler!« und wussten sich dabei des Einverständnisses kopfnickender Palästinenser sicher.

Die Teilnahme Wolfgang Gehrckes an der Demonstration wurde am Tag darauf von Moshe Waks, einem Mitglied des Vorstandes der jüdischen Gemeinde in Berlin, heftig kritisiert. Auf der Kundgebung für Israel, zu der ein »Bündnis gegen Antizionismus und Antisemitismus« und die jüdische Gemeinde aufgerufen hatten und an der rund 2 000 Menschen teilnahmen, sagte Waks, die PDS habe als Regierungspartei in Berlin auch eine Verantwortung für die jüdische Gemeinde. Sie dürfte Gehrcke jedoch wenig berühren. Er kann stolz behaupten, dabei gewesen zu sein.