Alternatives Zentrum in Gefahr

Tanz das Grundgesetz

Das Dresdner Jugendamt entzieht dem Alternativen Zentrum Conni wegen angeblicher linksextremistischer Bestrebungen die Jugendhilfegelder.

Die Dresdner äußere Neustadt ist eines der größten noch existierenden Gründerzeitquartiere Europas. Zu DDR-Zeiten vom Verfall bedroht, ist die östliche Neustadt seit Mitte der neunziger Jahre ein Sanierungsgebiet. Allmählich rückt die Sanierungswelle auch in den westlichen Teil vor, in das so genannte Hechtviertel, in dem Erich Kästner aufwuchs. Dort liegt ein Eckgrundstück mit einem kleinen, zweistöckigen Gebäude direkt an der Straße und einem größeren hinter ihm. Neben dem Eingang ist ein Kinderspielplatz, weiter hinten ein Sandkasten, von Bäumen umsäumt. Ein weinrotes Holzschild mit der Aufschrift »Buchladen und Lesecafé König Kurt« weist auf eine kleine, aber gut sortierte politische Fachbuchhandlung. Sie ist Teil des Alternativen Zentrums Conni, eines der letzten Domizile linker Jugendsubkultur der Stadt.

Um das AZ Conni, vom gleichnamigen Verein in freier Trägerschaft betrieben, tobt nun ein Streit. Das städtische Jugendamt prüft derzeit die Rechtmäßigkeit der Förderung des Zentrums, die bisher etwa 80 000 Euro pro Jahr betrug. Anlass der Überprüfung ist eine kleine Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Lars Rohwer an die sächsische Landesregierung im Sommer 2001, ob das AZ Conni linksextremistische Bestrebungen verfolge. Innenminister Klaus Hardrath (CDU) antwortete: »Aufgrund der nachfolgend dargestellten Verbindungen zur linksextremistischen Szene kann davon ausgegangen werden, dass auch die Förderung linksextremistischer Bestrebungen zum Konzept des 'Conni e.V.', des Betreibers des AZ Conni, gehört.« Und weiter heißt es: »Seit etwa einem Jahr hat die Bedeutung des AZ Conni als Anlauf- und Kommunikationsstelle für Linksextremisten zugenommen. Es stellt gegenwärtig die wichtigste Einrichtung dieser Art in Dresden dar.«

Der sächsische Verfassungsschutz bestätigte dem Jugendamt am 1. Oktober 2001 die Einschätzung der Landesregierung. In knapp zwei Dutzend Anlagen dokumentierte er die politischen Aktivitäten um das AZ Conni: Veranstaltungen der als »militant« eingeschätzten Antifaschistischen Aktion Dresden, die sich mittlerweile aufgelöst hat, Unterstützung der Demonstrationen gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Prag und den EU-Gipfel in Genua sowie die Unterzeichnung einer Pressemitteilung, in der die Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber gefordert wurde.

Tatsächlich liegt der Schwerpunkt der Arbeit des Zentrums jedoch auf kulturellen Veranstaltungen. Bands und DJs kommen aus der ganzen Welt, die internationale Ausrichtung und die Vielfalt sind Programm. Und die Veranstaltungen stehen hoch im Kurs in Dresden. Jeden Donnerstag kommen Hunderte zum »Jugendtanz« in den ersten Stock des Hauptgebäudes. Eine aktuelle Leserumfrage des Dresdner Veranstaltungsmagazins SAX zeigt, dass das AZ Conni in der Rubrik »beliebtester Konzertclub« auf Platz vier rangiert und sogar der zweitbeliebteste Dancefloor der Landeshauptstadt ist.

Das Zentrum beherbergt außerdem einen Kinderladen, ein Fotolabor, eine Siebdruck- und eine Bastelwerkstatt. Sozialarbeiter sind in der offenen Jugendarbeit tätig, zwei Theatergruppen benutzen die Räumlichkeiten für Proben. Der Mitarbeiter Ralf Baumgart sagt: »Das Zentrum platzt aus allen Nähten. Es gibt viel mehr Aktivitäten als Platz. Eigentlich bräuchten wir ein zweites Gebäude.«

Aber derzeit sieht es nicht so aus, als sei diesem Anliegen großer Erfolg bei den städtischen Ämtern beschieden. Im Januar dieses Jahres legte das Jugendamt dem Verein einen neuen Vertrag vor und droht im Falle einer Ablehnung damit, die ausgezahlten Gelder vom vorigen Jahr zurückzufordern. Zu diesem Zweck läuft derzeit ein Widerrufsverfahren. Das Jugendamt prüft, ob der Förderungsbescheid für 2001 zu Recht erfolgt ist und ob die Zuverlässigkeit des Vereins Conni e.V. im Sinne des Sozialgesetzbuches bestanden hat.

Nach dem entsprechenden Gesetz sind die Mittel der Jugendhilfe an die Gewährleistung der Grundrechte gebunden, also daran, dass sich der Verein im Rahmen des Grundgesetzes bewegt. Im Vertragsentwurf des Jugendamtes werden darüber hinaus eine positive Einstellung zum Grundgesetz, die Distanzierung »von Begebenheiten und mehrdeutigen Vorkommnissen, die Gegenstand des Widerrufsverfahrens sein können« sowie eine »vierteljährliche Sachberichtserstattung« ab März 2002 verlangt.

Dies bezeichnet Anita Ulrich von Conni e.V. als »Bewährungsstrafe«. Der Trägerverein lehnt den Entwurf des Jugendamtes als unzumutbare Gängelung ab und hat einen Gegenentwurf vorgelegt, in dem versichert wird, dass der Verein Conni e.V. »sich vom Bruch bestehender Gesetze sowie von verfassungsfeindlichen Bestrebungen distanziert«. Betont wird auch die Unabhängigkeit des Zentrums und das Ziel der Zusammenarbeit mit den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe in Dresden. »Der Conni e.V. ist ein politischer Verein, der versucht, das demokratische Handeln junger Leute zu befördern«, sagen Anita Ulrich und ihr Kollege Christoph Töpfer. »Wir haben allerdings eine etwas andere Auffassung von Demokratie als die Landesregierung und das Jugendamt.«

Seit Januar 2002 bekommt das AZ keine Jugendhilfegelder vom Jugendamt mehr und kann seine Angestellten mit einer festen Stelle und zwei halben nicht bezahlen. Ob und wann wieder Geld fließt, hängt vom Verlauf des Widerrufsverfahren ab. Das Jugendamt spielt offenbar auf Zeit.

Die Kampagne gegen das AZ, bei der auch die lokale CDU mitmischt, soll nach Ansicht von Ulrich und Töpfer alles Linke aus der Stadt verbannen. Tatsächlich ist das AZ Conni das letzte freie emanzipatorische Jugendprojekt in Dresden, alle anderen wurden in den letzten Jahren abgewickelt. Deshalb sagt selbst Dresdens Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP): »Wir brauchen das AZ Conni.« Zwar habe es »rund um das AZ Conni« Ereignisse gegeben, »die aufgearbeitet werden müssen«, weshalb es wichtig sei, Grenzen zu setzen. Aber er will auf der Basis des Entwurfs des Trägervereins weiterverhandeln.

Langfristig könnte auch die Sanierung des Hechtviertels eine Gefahr für das Alternative Zentrum bedeuten. In jedem Fall ist man auf den guten Willen der Stadt angewiesen, die bislang nicht nur Fördermittel bezahlte, sondern auch Eigentümerin der Räumlichkeiten und des Grundstücks ist. Und das sind keine guten Voraussetzungen für eine linke Subkultur in Dresden.

Weitere Informationen: www.connibleibt.de