Krise der IT-Branche

Hallo Paris, bitte zahlen!

Die Krise in der IT-Branche hat auch die Mobilcom AG erreicht. Nun sollen französische Steuergelder retten, was zu retten ist.

Bislang steht für die 5 000 Beschäftigten der von der Insolvenz bedrohten Mobilcom AG nur eines fest: Bestenfalls werden zwei Drittel von ihnen ihren Job behalten. Mindestens 1 800 Stellen werden wegfallen. Mobilcom würde so 130 Millionen Euro jährlich einsparen und könnte sich mit 3 200 Beschäftigten auf sein Kerngeschäft konzentrieren.

Die Krise der Telekommunikationsbranche hat vor Mobilcom nicht Halt gemacht. Die nun nötige Sanierung setzt jedoch zweierlei voraus, nämlich liquide zu sein und entschuldet zu werden. Für die Liquidität hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gesorgt. Die Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW) ist dem Wunsch aus dem Kanzleramt nachgekommen und hat noch vor der Bundestagswahl 50 Millionen Euro überwiesen.

Die Streichung der Schulden in Höhe von 7,96 Milliarden Euro erhoffen sich die Schleswig-Holsteiner aus Frankreich. Dieter Vogel, der im Aufsichtsrat von Mobilcom sitzt und früher Vorstandsvorsitzender der Thyssen AG war, flog in der vorigen Woche nach Paris, um die France Télécom, den Partner der Mobilcom im UMTS-Geschäft, zu einer »Art finanzieller Abfindung«, wie es das Handelsblatt nennt, zu bewegen. Dieses Ansinnen könnten die Franzosen jedoch ebenso zurückweisen, wie die EU-Kommision nicht mit der Einmischung Schröders einverstanden sein dürfte. Noch folgenreicher aber könnten die neuen Verhandlungen zwischen den UMTS-Lizenznehmern und der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post werden.

Das alles ist ein bisschen viel für Mobilcom. Dabei stieg das Unternehmen mit ganz großen Erwartungen ins Geschäft mit den Handys ein. Die Mobilfunkverträge, die man sich bei den Netzbetreibern en gros eingekauft hatte, wollte man preiswert verkaufen. Solange das Geschäft boomte und man den Konkurrenten immer etwas voraus war, konnte Mobilcom seinen Umsatz machen. Für den bisherigen Marktführer, die Deutsche Telekom, hatte der Vorstandsvorsitzende Gerhard Schmid nur noch Hohn und Spott übrig. Überhaupt werde die neue Ökonomie, so lautete noch vor kurzem die Botschaft, die Gewerkschaften, regulierte Märkte und Staatsbetriebe überflüssig machen. Sie werde die Beschäftigten durch ihre Aktienbeteiligung zu Vermögensbesitzern machen.

Natürlich war sich Schmid der Grenzen seines Vermittlungsgeschäfts bewusst. Deshalb wollte er mit UMTS selbst zum Netzbetreiber aufsteigen. So engagierte er sich mächtig bei der Vergabe der neuen Lizenzen und beteiligte für ihre Finanzierung die France Télécom. Doch der Krise war nicht zu entkommen, die Eigner gerieten sich in die Haare, Schmid verlor seinen Posten und France Telecom die Lust am Investieren. (Jungle World, 28/02)

Auf den Ausstieg der France Telecom reagierten die Banken von Mobilcom ungewohnt drastisch. Sie stellten den Einzug der Telefongebühren der Kunden von Mobilcom über Nacht ein, ein Novum in diesem Geschäftsbereich. Schmid forderte daraufhin, der Staatsbetrieb France Télécom könne sich nicht einfach davonmachen. Eine pfiffige Idee. Französische Steuergelder sollen die Verluste der deutschen Fehlspekulation wettmachen. Und für die nötige Überbrückung wandte sich Mobilcom einfach an die Bundesregierung, denn auch hier war möglicherweise Geld abzugreifen. Freilich vergaß Schmid dabei nicht, seine in besseren Zeiten verdienten vier Milliarden Euro zu privatisieren, wie der Spiegel berichtete. Doch in Berlin sah man darüber hinweg. Zahlen sollen die anderen.

Bundeskanzler Schröder nahm die Krise von Mobilcom als Chance im Wahlkampf wahr. Wie ehedem im Fall der Holzmann AG wollte er als Retter von Arbeitsplätzen erscheinen. Sein parteiloser Wirtschaftsminister Werner Müller bezeichnete Mobilcom kurzerhand als »kerngesundes Unternehmen«, wovon die Anteilseigner längst nicht mehr überzeugt waren.

Vor allem aber wertete Müller die Verpflichtungen der France Télécom als »außerordentlich belastbar«, wie die Börsenzeitung ihn zitiert. Mit der KfW und der Landesbank Schleswig-Holstein brachte der politische Reparaturbetrieb der Bundesregierung 400 Millionen Euro für Mobilcom auf, obwohl die beiden »industriepolitischen Agenten«, wie die Börsenzeitung sie nennt, dabei zur Sammlung getragen werden mussten.

Im Gegenzug überlässt Schmid seine Aktien, die ohnehin keiner mehr will, einem Treuhänder und signalisiert damit, dass er sich als Aktionär nicht mehr ins Geschäft einmischen wird. Das hatte offensichtlich Wirtschaftsminister Müller in den Verhandlungen gefordert.

Aber nicht nur die Mobilcom kam in die Bredouille, sondern auch das Mobilfunkunternehmen Quam. Auch dieser Firma, in der sich die spanische Telefonica mit der finnischen Sonera zum Erwerb einer deutschen UMTS-Lizenz zusammentat, wurde die überteuerte Lizenz zum Verhängnis. Sonera, das sich mit dem deutschen Abenteuer einen Verlust von 4,3 Milliarden Euro eingehandelt hat, befindet sich überwiegend in öffentlicher Hand. In Finnland fragt man sich nun ebenso, warum die Steuerzahler für die »größte Fehlinvestition in der finnischen Geschichte« (Neue Zürcher Zeitung) aufkommen sollen.

Die künftige deutsche Bundesregierung muss sich also bei einer Auseinandersetzung mit der France Télécom darauf einstellen, dass man in Helsinki und in Madrid jede unzulässige Änderung des UMTS-Vertrages zum Anlass für Schadenersatzforderungen machen würde. Der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber (CSU), gab im Wahlkampf vor, für eine derartige Änderung zu sein. »Da muss man einfach ein höheres Maß an Flexibilität, vielleicht auch ein Stück weit Handel zulassen, um den Unternehmen nicht die Luft abzudrehen«, sagte er.

Stoiber hat gute Gründe, sich vage auszudrücken. Denn der UMTS-Vertrag betrifft nicht nur die spektakuläre Versteigerung der Lizenzen. Vielmehr umfasst er ein gigantisches Investitionsprojekt, für dessen Realisierung die Lizenznehmer noch bis zum nächsten Jahr eine riesige Infrastruktur schaffen müssen. Der nächste Schritt ist für das Jahr 2007 geplant. Die von Stoiber geforderte »Flexibilität« würde allerdings eine Entwertung der Lizenzen mit sich bringen.

Vor allem verdrängt Stoiber die Tatsache, dass seinerzeit sein Parteifreund Klaus-Dieter Scheurle (CSU) diesen Vertrag in Absprache mit den Interessenten ausgearbeitet hat. Entsprechend formuliert es Stoiber doppelzüngig: »Aber insgesamt kann man jetzt von unserer Seite, wenn wir die Regierung übernehmen, wohl keine Veränderung mehr vornehmen, der Fehler ist passiert.«

Eine Änderung des Vertrages wäre auch nicht im Sinne der Bundesregierung, die ihre UMTS-Milliarden längst verplant hat. Und sie ist auch nicht im Interesse der Deutschen Telekom, die sich bei dieser Gelegenheit lästige Konkurrenten vom Halse schaffen könnte. Müssen Mobilcom und Quam aufgeben, könnte das den anderen Lizenznehmern, der deutschen T-Mobile, den britischen Vodafone und O2 und dem niederländischen e-plus nur Recht sein.

Durch die Krise der Branche und den staatlichen Eingriff ist aber eine Entwicklung in Gang gesetzt worden, die eine Revision der UMTS-Verträge erzwingen könnte.