Die Krise der FDP

Der Schirm bleibt zu

Jürgen W. Möllemann befindet sich im Sturzflug. Die FDP nimmt er dabei gleich mit.

Wenn der Vergleich nicht so bizarr wäre, dann müsste man sagen, er hat sich benommen wie ein Selbstmordattentäter. Er hat sich mit allem, was es so an Möglichkeiten gibt, selbst politisch in die Luft gesprengt«. Diese Sätze Otto Graf Lambsdorffs über Jürgen W. Möllemann aus der vergangenen Woche markieren möglicherweise eine Wende der FDP. Denn die Parteiführung scheint nun doch entschlossen zu sein, die Eskapaden Möllemanns nicht länger hinzunehmen. Als Vorsitzender des nordrhein-westfälischen Landesverbandes und als Fraktionsvorsitzender im Düsseldorfer Landtag trat er bereits zuück. Inzwischen steht sogar sein Verbleib in der Partei in Frage.

Und das kam so. Kurz vor der Bundestagswahl ließ Möllemann ein Faltblatt in einer Auflage von 8,4 Millionen Stück drucken, auf dem Porträts des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und des stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, zu sehen waren. Diese Flugschrift wird von den meisten Medien als »israelkritisch« bezeichnet, dabei war sie ein plumper Angriff auf Sharon und Friedman. Möllemann stilisierte sich zum Opfer einer gegen ihn gerichteten Kampagne Friedmans und zugleich zu einem von »Attacken unbeeindruckt« wirkenden ehrlichen Makler, der als Deutscher ganz interesselos an einem Frieden für den Nahen Osten arbeite. Weil »auch unser Land schnell hineingezogen werden könnte« in diesen Krieg.

Knapp 135 000 Euro wurden für den Druck der Schrift und noch einmal 840 000 für ihre Verteilung an alle Haushalte in Nordrhein-Westfalen durch die Deutsche Post AG benötigt. Diese Summe ist doppelt so hoch wie die offiziellen Wahlkampfausgaben der FDP in diesem Bundesland.

Sicher scheint bisher nur, dass das Geld von einem Sonderkonto stammt, auf welches die Summe in 145 Teilbeträgen bar und von Spendern mit Phantasienamen wie »Mustermann« eingezahlt wurde. Das stellt einen klaren Verstoß gegen das Parteispendengesetz dar, weshalb die Staatsanwaltschaft Düsseldorf in dieser Woche voraussichtlich Ermittlungen einleiten wird.

Allenthalben wird über die Herkunft des Geldes gerätselt. Die Süddeutsche Zeitung spekulierte darüber, dass das Geld aus Libyen stamme und berief sich auf eine »Quelle, die sich in anderen Fällen als verlässlich erwies«. Die Bild-Zeitung will erfahren haben, »Möllemann habe in letzter Zeit ein eher schlechtes Verhältnis zu Gaddafi« und nannte Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate als mögliche Quellen der Spenden.

Die Vermutung, dass das Geld aus arabischen Ländern stammt, drängt sich beinahe auf. Schließlich ist Möllemann der Vorsitzende der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG) und ein langjähriger Rüstungslobbyist. Mit seinen antisemitischen Ausfällen dürfte er sich im arabischen Raum einige Freunde gemacht haben.

Der Spiegel geht von einem System der schwarzen Kassen bei der FDP aus. Denn die Partei hatte mit der Post vereinbart, das für die Verteilung des Flugblattes vorgesehene Geld von einem Bankkonto einzuziehen, das angeblich dem Landesverband Nordrhein-Westfalens gehörte. Der nordrhein-westfälische Landesgeschäftsfüherer Hans-Joachim Kuhl genehmigte das. Die Kontoinhaberin ist aber tatsächlich die Düsseldorfer Web/Tec, eine Firma Jürgen W. Möllemanns. Der Post gelang es nicht, das Geld von diesem Konto abzubuchen. Ausgezahlt wurde es am Ende von einem kurz zuvor von Möllemann eingerichteten Wahlkampfkonto.

Nicht nur Kuhl, der inzwischen beurlaubt wurde, sondern auch der Schatzmeister in Nordrhein-Westfalen, Achim Reichel, gab inzwischen zu, dass er früh von dem Flugblatt gewusst habe. Teile der nordrhein-westfälischen FDP scheinen in die Aktion eingeweiht gewesen zu sein. Der Parteivorsitzende Guido Westerwelle forderte in der vergangenen Woche: »Die Fakten müssen auf den Tisch. Jeder, der mitgewirkt hat, ist aufgefordert, das jetzt bekannt zu geben.« Die Kassenbücher der nordrhein-westfälischen FDP werden mittlerweile von der Innenrevision geprüft.

Wegen des Verstoßes gegen das Parteispendengesetz kommt nun auf die FDP möglicherweise ein Bußgeld in Höhe von 2,5 Millionen Euro zu. In Anbetracht dieser hohen Forderung setzte Günther Rexrodt, der Schatzmeister der Bundespartei, Möllemann ein Ultimatum, die Spendernamen zu nennen. Nach dessen Verstreichen will die FDP Möllemann auf die Bekanntgabe der Spendernamen verklagen.

Doch von der Insel Gran Canaria, wo sich der angeblich gesundheitlich angeschlagene Möllemann kuriert, kam keine klärende Antwort. Deshalb erinnert Möllemann an Helmut Kohl, der sich bis heute weigert, die Namen der Spender zu nennen, die einst seiner Partei hohe Beiträge zukommen ließen.

Auffällig ist, dass Möllemann nicht wegen des Inhalts seines Flugblattes kritisiert wird, sondern allein wegen dessen unrechtmäßiger Finanzierung. Auf diese Art versucht die FDP, Möllemann auszuschalten, ohne noch einmal die Debatte über den Antisemitismus in der Partei führen zu müssen. Dabei hat sich vor allem Westerwelle nicht wirklich geändert, sondern er taktiert wie bisher.

Als im Frühsommer der ehemalige Grüne Jamal Karsli in die nordrhein-westfälische Landtagsfraktion aufgenommen werden sollte, musste Westerwelle zu einer Distanzierung mehr gezwungen als gebeten werden. Er schien sich all die Monate auf eine Art Arbeitsteilung mit Möllemann geeinigt zu haben. Auch Westerwelle schielte auf die Stimmen rechter Wähler. Er war der »Kanzlerkandidat« im »Projekt 18«, und wenn es darauf ankam, verlangte er vom Zentralrat der Juden, den von Möllemann ausgelösten Antisemitismusstreit zu beenden.

Möllemann schlägt derweil wie schon bei seinen früheren Skandalen den Ton des zutiefst Gekränkten an: »Wie ich zu einer so falschen Einschätzung der FDP kommen konnte, dass ich eine solche Jagd auf einen aus den eigenen Reihen für ausgeschlossen hielt, darüber will ich erst wieder nachdenken, wenn mich das nicht mehr buchstäblich mitten ins Herz trifft.«

Er will die Krise nicht nur still aussitzen. In der vergangenen Woche verkündete er, dass er gerne im Bundestag zu Themen der Sicherheits- und Außenpolitik in den Ausschüssen arbeiten würde. Möllemann errang bei der Bundestagswahl ein Abgeordnetenmandat. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, erwägt inzwischen einen Ausschluss Möllemanns aus der Fraktion. Doch der »israelkritische« Fallschirmspringer gibt sich weiterhin selbstbewusst: »Über meinen künftigen Beitrag zur Politik im einzelnen werde ich nach meiner Genesung entscheiden.«