Aktionstag der Friedensbewegung

Nur der halbe Satz

Wer wollte, konnte sie finden: Palitücher, Saddam-Porträts, Antizionisten. Auch wer die These vertrat, dass angesichts der Politik der Bundesregierung Demonstrationen gegen den drohenden Irakkrieg nicht nur obsolet, sondern sogar schädlich seien, konnte sich bestätigt sehen.

Die am vergangenen Samstag in rund 70 deutschen Städten abgehaltenen Friedensdemonstrationen boten den Kommentatoren Stoff für Kritik und den Aktivisten ein Forum, um einmal laut zu benennen, woran sonst noch so erinnert werden sollte: die Freiheit für Mumia Abu Jamal, die PKK und Arbeitsplätze für alle.

Tatsächlich belegt das bizarre Sammelsurium von Forderungen, die unter dem kleinsten gemeinsamen Nenner »Kein Krieg« erhoben wurden, den verkürzten Friedens- und Gewaltbegriff eines großen Teils der deutschen Friedensbewegung. Zugrunde liegt offenbar die Vorstellung, dass der Krieg lediglich eine katastrophische Abweichung von einer friedlichen Normalität darstellt.

Daher rührt wohl auch das Schweigen über das Gewaltregime im Irak. Auf verlorenem Posten musste sich ein Vertreter des irakischen Oppositionskomitees auf der Berliner Demonstration fühlen. Der Jungle World sagte er, er sei enttäuscht über das Desinteresse der Demonstrationsteilnehmer an den entsetzlichen Zuständen im Irak. »Die Forderung 'Nein zum Krieg' ist nur der halbe Satz und läuft auf eine faktische Unterstützung Saddam Husseins hinaus.« Trotzdem müsse der ganze Satz nicht mit »Bomben auf Bagdad« enden. Mit dieser Parole hatten Antideutsche versucht, gegen den Aktionstag zu polemisieren.

Wie aber könnte der ganze Satz lauten? Hinweise darauf, dass eine grundlegende Kritik am bürgerlichen Friedensbegriff eine Ablehnung auch des bevorstehenden Krieges keineswegs ausschließt, fanden sich durchaus auf der Berliner Demonstration. Ein Transparent des Gegeninformationsbüros mit der Aufschrift »Die deutsche Kriegsmaschinerie läuft: über 12 000 Soldaten im Kriegseinsatz« thematisierte immerhin, dass Deutschland schon seit langem an allen möglichen Kriegen teilnimmt. Aufgespannt vor der Bühne, die von den Grünen und der Friedenskoordination (Friko) errichtet worden war, sorgte es für Konfliktstoff zwischen der Regierung und ihrem demonstrierenden Fußvolk einerseits und denen, die auch den zweiten Teil des Satzes sagen wollen, andererseits.

Eine Bewegung, der es gelänge, eine radikale Antikriegsposition mit einer Kritik am abstrakten bürgerlichen Pazifismusbegriff zu verbinden, ist in Deutschland aber nicht in Sicht. Deshalb lohnt es sich, einen Blick zurück zu werfen. Die Revolutionären Zellen kritisierten bereits 1983 an der deutschen Friedensbewegung genau jenes »moralisch-religiöse Weltbild«, das auch den heutigen Friedensdiskurs zu bestimmen scheint: »Die Friedensbewegung in ihrer Masse will nicht Widersprüche vorantreiben und austragen, sondern sich gegen sie abschotten. Sie sucht Oasen der Ruhe in einer Welt voller schreiender Gegensätze.«