Besser nicht frei

BVG-Mitarbeiter sollen Unternehmer werden

So etwas hat der Busfahrer Gwidon Schroller noch nicht erlebt. Seit 26 Jahren steuert er für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die gelben Doppeldecker durch die Stadt. Und jetzt soll er eines der sperrigen Fahrzeuge kaufen und als selbstständiger Subunternehmer der BVG seine Dienstleistung verkaufen. So sieht es der Plan des Vorstandsvorsitzenden der BVG, Andreas Graf von Arnim, vor. »Nicht mal geschenkt würde ich den nehmen«, sagt Schroller und schaut entsetzt in die Kamera der Fotografin des Berliner Kurier. »Mal ehrlich: Wollen Sie Ihren Bus kaufen?« fragte das Boulevardblatt einige Fahrer. Die Antworten lassen sich knapp zusammenfassen: Nein.

Die Idee der selbstständigen Busfahrer ist eine jener »kreativen Lösungen« (Arnim), die in einer Stadt gedeihen, in der es auch niemanden wundern würde, wenn die Ampeln abgeschaltet würden, um ein paar Euro zu sparen. Der BVG fehlten voriges Jahr mehr als 100 Millionen Euro in der Kasse. Einem Sanierungskonzept zufolge sollten es lediglich 78 Millionen sein. Doch es ließ sich nicht einhalten, »weil der Senat Tariferhöhungen ablehnte«, erklärt Arnim. Obwohl die Fahrpreise im August angehoben werden, sollen bis 2007 jedes Jahr 900 bis 1 100 Beschäftige den Betrieb verlassen. Und zwar freiwillig, denn betriebsbedingte Kündigungen sind bei der BVG ausgeschlossen.

Mit dem Angebot der Selbstständigkeit sollen Mitarbeiter in die »unternehmerische Freiheit«, wie Arnim es formuliert, gelockt werden. Mehrere Busfahrer könnten sich zu einer Genossenschaft zusammenschließen und mit Hilfe ihrer Abfindungen von jeweils 50 000 Euro einen oder mehrere Busse kaufen. Die BVG würde einem solchen Unternehmen, das mit den Ich-AG im Sinne der Hartz-Kommission im Übrigen nichts zu tun hat, Aufträge erteilen. Ganze Linien können die neuen Unternehmer allerdings nicht pachten. Sie würden schichtweise gebucht, abgerechnet würde nach Kilometern oder Arbeitsstunden. Um das Risiko zu begrenzen, verpflichtet sich die BVG, einen Ersatzbus zu stellen, wenn der genossenschaftseigene in der Reparatur ist. Und sollte ein Fahrer krank sein, kann ein Kollege aus einem Pool angefordert werden.

»Das Angebot gilt nicht nur für Busfahrer, sondern auch für Verwaltungsangestellte, Lagerarbeiter und Techniker«, sagt Arnim. Er bietet zudem Bahnhofskioske und Fahrkartenschalter als neue Betätigungsfelder an, zur Abfindung gibt es möglicherweise eine betriebseigene Wohnung dazu. Die Hauptsache ist, der Betrieb wird seine Mitarbeiter los.

»Das ist doch abenteuerlich«, sagt die Berliner Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Susanne Stumpenhusen. Sichere Arbeitsplätze würden vernichtet, und das gesamte betriebswirtschaftliche Risiko werde auf die Fahrer abgewälzt. Vor allem der Blick in die Zukunft macht die Gewerkschafterin argwöhnisch: Ab 2008 müssen die Konzessionen entsprechend einer EU-Richtlinie für den Nahverkehr international ausgeschrieben werden. Dann schlägt die Stunde der großen Transportunternehmen. »Soll sich da ein Fahrer mit seinem Bus beteiligen?« fragt Stumpenhusen. Die BVG muss dann selbst um die begehrten Lizenzen kämpfen.

alexander wriedt