Drink Global!

Coca-Cola ist schon das, was Champagner, Irish Whiskey und jemenitischer Mokka noch werden müssen: ein kosmopolitisches Getränk. von deniz yücel

Wo auch immer Sie hinkommen, Coca-Cola war schon da. Generationen von Zivilisationskritikern sind daran schon kirre geworden. Über die »Umwandlung des Durstes in das Bedürfnis nach Coca-Cola« beklagte sich der bei neuen sozialen Bewegungen wie Wertkonservativen beliebte Ivan Illich. Für Slavoj Zizek ist die braune Limonade der »Inbegriff der Ware schlechthin«, deren »Gebrauchswert bereits eine direkte Verkörperung der übersinnlichen Aura des unaussprechlichen spirituellen Mehrwerts ist«. Und das Internetforum Muslim-Markt begründet seinen Boykottaufruf unter anderem damit, dass mit Coca-Cola »entblößte Frauen in der Werbung in Kulturkreise eingeführt wurden, in denen noch Anstand herrschte«.

Tatsächlich hat die Marke in einem bescheidenen Maße dazu beigetragen, dass die Welt nicht mehr ganz der Zoo ist, in dem der europäische Reisende pittoreske Eingeborene im artgerechten Gehege betrachten kann. Die Klage über die globale Verbreitung von Coca-Cola ist so, als beschwerte man sich darüber, dass durch den Einsatz von Penicillin die Selbstregulierung der Natur mittels Masern und Scharlach zerstört worden sei.

Andererseits gilt Coca-Cola als das Symbol des American Way. Wenn es zu erklären gilt, wie es um den Verfassungsgrundsatz »all men are equal« bestellt ist, verweisen manche Amerikaner darauf, dass der Mann im Weißen Haus und der Bettler der Straße auf dasselbe Erfrischungsgetränk schwören. Das ist okay. Und wenn Präsident und Bettler auch denselben Champagner aus dem Hause Krug oder denselben Whiskey der Marke Hancock’s President Reserve tränken, wäre der eine nicht länger Präsident und der andere nicht länger Bettler, und die Welt wäre eine andere.

»Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker verschwinden mehr und mehr schon mit der Entwicklung der Bourgeoisie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse. Die Herrschaft des Proletariats wird sie noch mehr verschwinden machen.«

Coca-Cola hat seinen Teil der Arbeitsaufträge des Kommunistischen Manifests erfüllt, und dass aus der Herrschaft des Proletariats nichts wurde, ist nicht der Firma aus Atlanta anzukreiden.

Dafür hat Coca-Cola nicht nur die Geschichtsphilosophie auf seiner Seite. Gehörten Sie auch zu den Geschöpfen, die nach dem Schulsport unter den fiesen Blicken Ihrer Mitschüler eine Dose Topstar-, Sinalco- oder River-Cola auspackten? Egal ob die Eltern aus finanziellen oder ideologischen Gründen ihren Nachwuchs in die Rolle des Klassendeppen drängen, die entwicklungspsychologischen Verwüstungen sind enorm.

Ha! ruft da einer, der mit allen ätherischen Ölen der Konsumkritik gewaschen ist, daran sieht man doch nur, wie sehr der Kapitalismus schon bei Kindern Bedürfnisse produziert, die es ohne ihn nicht gäbe. Aber der beißende Spott und das schmierige Mitleid, das die Topstar-Dose bei meinen Klassenkameraden provozierte, hätten nicht schlimmer ausfallen können, wenn ich statt Turnschuhen ein aus Autoreifen geschustertes Schuhwerk ausgepackt hätte. Und ob der Weltkommunismus wirklich ohne Cola auskommt, ist keinesfalls ausgemacht.

Mecca-Cola jedenfalls verhält sich zu Coca-Cola wie Muckefuck zu Mokka, wie die Puhdys zu den Rolling Stones oder Babelsberg zu Hollywood. Damit das Imitat dennoch einen Distinktionsgewinn ermöglichen kann, bedarf das Produkt einer ideologischen Aufladung, die nur in Abgrenzung zum Original erfolgen kann. Coca-Cola ist universalistisch, Pepsi & Co. bloß zweitklassig, lokale Konkurrenzprodukte wie Mecca und Afri-Cola aber können nichts weiter vorweisen als eine partikularistische Trademark.

Fanta statt Fatwa also? Aber sicher, wäre da nicht ein Makel, der zugleich der einzig kluge Einwand gegen diese wunderbare Parole ist: Fanta wurde von der deutschen Coca-Cola-Niederlassung während des Zweiten Weltkrieges kreiert, war also, ähnlich wie das Naziprodukt Scho-ka-kola, eine frühe Form der Mecca-Cola. Und, seien wir ehrlich, so schmeckt Fanta auch, selbst wenn sie später ins Sortiment des Mutterkonzerns aufgenommen wurde.

Getoppt werden könnte Coca-Cola nur von sich selbst, der Originalmischung von 1886 nämlich, die Kokain enthalten haben soll. Dieses Geheimrezept aber wird wohl erst verraten werden, wenn die Arbeiter von Coca-Cola die Fabrikzentrale gestürmt und die Produktion selbst übernommen haben.