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Mecca-Cola ist eine sympathische Bereicherung des Weltmarkts der zucker-, glukose-, fruktose- und koffeinhaltigen Limonadegetränke. von carlos kunze

Mecca-Cola – ich höre schon das Genöle der Anhänger des »American Way of Death«, wie er sich in der Parole »Fanta statt Fatwa« auch an dieser Stelle auf verheerende Weise Bahn gebrochen hat: Jihad auf neuer Ebene, antisemitische Ressentiments, islamistischer Kulturkampf gegen den kleinen und den großen Satan respektive den »Zionismus und den amerikanischen Imperialismus«, um in den Worten des Mecca-Cola-Erfinders Tawfik Mathlouthi zu bleiben.

Alles Quatsch! Mecca-Cola besteht aus Wasser, das mit Kohlensäure versetzt ist, tonnenweise Zucker, Glukose-Fruktose-Sirup, ein bisschen Koffein und Karamelfarbstoff mit dem poetischen Namen E 150 D. Was könnte es für die erschöpften Mekka-PilgerInnen Besseres geben, als sich mit diesem islamisch korrekten Getränk zu erfrischen, um die Strapazen des Hadsch besser zu ertragen?

Und warum sollte man etwas dagegen haben, dass die islamische Welt langsam, aber sicher den Anschluss an die so genannte Moderne schafft? Dass sie sich das Produkt des amerikanischen Kulturimperialismus zum Vorbild nimmt, um eigenverantwortlich und innovativ ein Gegenprodukt auf den Markt zu werfen?

Schließlich arbeiten sich die islamischen Länder seit einigen Jahren nicht ohne Erfolg daran ab, die Gesellschaft des Spektakels à l’islamique aufzubauen: Private TV-Stationen wie Al Jazeera machten in der Konkurrenz zu CNN den Anfang, islamische Radios eröffnen ihre Sender – auf dem Gebiet der Massenmedien ist einiges los, auch wenn die hohe Kunst der Massenmanipulation in den arabischen Ländern noch nicht auf islamische Kulturwächter und Polizisten verzichten kann. Aber ein erster Anfang ist gemacht.

Zudem ist mit Mecca-Cola die Produktdiversifizierung in der islamischen Welt ein gutes Stück vorangekommen. Seit 1979 wird im Iran Samsam-Cola hergestellt; der braune Schiiten-Trank, der nach einer heiligen Quelle in Mekka benannt ist. Jetzt schlagen die Sunniten mit Mecca-Cola zurück – das große Schisma in der islamischen Welt ist damit zwar nicht aufgehoben, reproduziert sich aber friedlich im ökonomischen Wettbewerb, statt in endlosen Gemetzeln um die religiös korrekte Nachfolge des Propheten aufzugehen.

Und auch der Frieden mit der christlichen Welt ist mit dem Verkauf von Mecca-Cola intendiert. 20 Prozent der Erlöse sollen nach Angaben des Erfinders für gemeinnützige Zwecke gespendet werden: die eine Hälfte davon für palästinensische Kinder, die andere Hälfte für Nichtsesshafte in Frankreich – für ein Projekt, das Abbé Pierre betreibt, der große christliche Freund der Obdachlosen und Negationisten.

Vom immer wichtigen Standpunkt des Proletariats aus gesehen ist gegen das neue Produkt ebensowenig einzuwenden: Glückliche, vom ökonomischen Djihad inspirierte Arbeiter an modernen, glänzenden Abfüllmaschinen müssen den ideologischen Mehrwert nicht in erbittertem Klassenkampf den Kapitalisten streitig machen, sondern dürfen ihn ganz für sich alleine behalten. Was will man mehr?

Im Übrigen stellt Mecca-Cola natürlich einen harten Schlag für die Authentizitätsfuchtler aller Couleur dar: Trinkt nicht das Original – the real thing, was für ein Blödsinn! –, verköstigt euch mit der Kopie! Und weil es die braune Suppe bislang nur in 1,5 Liter-Flaschen gibt, haben die deutschen KonsumentInnen und Jürgen Trittin auch keine Probleme mit dem Dosenpfand.

Für die arabischen AnhängerInnen westlicher Dekadenz aber existiert ein weiterer, unschlagbarer Vorteil: Eine Flasche Mecca-Cola mit Schuss, am besten verdünnt mit Jack Daniel’s, trickst den härtesten Sittenwächter aus.

Fanta statt Fatwa? Ach was! Mecca-Cola! Und her mit dem Medina-Burger!