Ein Krieg ohne uns

Mit dem Angriff auf den Irak verbessert sich Gerhard Schröders Ansehen in der Bevölkerung. Seinen linken Kritikern bereitet das Schwierigkeiten. Und auch die Konservativen wirken hilflos. von alexander wriedt

Es ist die falsche Entscheidung getroffen worden«, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder, mit ernster Miene vor einer Bücherwand sitzend. Nachdem am vorigen Donnerstag der Krieg gegen den Irak begonnen hatte, wandte sich Schröder in einer Fernsehansprache an die Nation. Man habe bis zur letzten Minute versucht, den Krieg zu verhindern. Vergebens. Schröder gab sich standhaft: »Es bleibt dabei: Deutschland beteiligt sich nicht.«

Der Kanzler steht so gut da wie seit langem nicht mehr. Etwa 80 Prozent der Deutschen unterstützen seine Haltung, die Umfragewerte für die SPD steigen wieder. Schröder wusste, eine Beteiligung an einem »Präventivkrieg« gegen den Irak hätte seine Koalition gesprengt und die Menschen nicht nur gegen den Krieg, sondern auch gegen ihn auf die Straßen getrieben.

Bereits am 9. August 2002, auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs, sprach Schröder sich in einem Interview gegen eine Invasion im Irak aus. Kurz zuvor hatte der US-Vizepräsident, Dick Cheney, öffentlich erklärt: »Ein Regimewechsel im Irak würde eine Reihe von Vorteilen bringen.« Erstmals war nicht nur von Entwaffnung und vom Kampf gegen den Terror die Rede, sondern vom Sturz Saddams.

Am 4. September, gut zwei Wochen vor der Wahl, machte Schröder klar, dass sich Deutschland auf keinen Fall beteiligen werde, weder mit einer Uno-Resolution noch ohne sie. Im Bundeskanzleramt ahnte man: Würde der Irak erst einmal angezählt, käme es auch zum Krieg. Die UN-Inspektionen würden nur der Pausenfüller sein, bis die US-Streitmacht am Golf einsatzbereit wäre.

So vorhersehbar wie die Politik der Amerikaner war die der anderen Staaten, vor allem der europäischen Verbündeten, nicht. Dass am Ende drei Vetomächte des UN-Sicherheitsrates, China, Russland und Frankreich, sich dem militärischen Einsatz verweigern würden, war alles andere als sicher. US-Außenminister Colin Powell hatte nicht damit gerechnet, dass der deutsche Bundeskanzler Frankreich so eng an sich binden würde.

Auch wenn die USA jetzt vor allem auf die Franzosen einprügeln, der deutsche Bruch mit den Amerikanern wiegt eigentlich schwerer. Während die Franzosen schon immer eine eigenwillige Außenpolitik betrieben, stellt sich zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine Regierung der Bundesrepublik in einer entscheidenden Frage offen gegen die Vereinigten Staaten.

Nicht nur die konservative Opposition war da sprachlos. Auch der wendige Außenminister Joschka Fischer lehnte die Außenpolitik des Kanzlers in dieser Kompromisslosigkeit ab. Zu sehr genoss Fischer seine Rolle als angesehener Diplomat, der von einem Gipfel zum nächsten reist und mit gespieltem Ernst mal weinerlich, mal sorgenvoll Statements zu Problemen der Weltpolitik abgibt.

Nun hatte er ein Problem, das sich nicht mit ein paar Floskeln beseitigen ließ. Er sollte der US-amerikanischen Regierung erklären, weshalb Deutschland sich dem Kriegskurs so unerbittlich verweigerte. Daneben hatte er auch noch die Antikriegsfront zu organisieren.

Schröder kostet nun seinen vorläufigen Triumph nicht aus, sondern gibt sich staatsmännisch. Jetzt soll das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten wieder in Ordnung gebracht werden. Natürlich werde Deutschland humanitäre Hilfe leisten und natürlich werde man sich am Wiederaufbau des Irak beteiligen, erklärt er in seiner Fernsehansprache. Und natürlich werde Deutschland seinen Bündnisverpflichtungen nachkommen.

Diese Verpflichtungen bestehen vor allem aus der Gewährung von Überflugrechten für britische und US-amerikanische Kampfflugzeuge, dem Schutz von US-Kasernen in Deutschland, der Beteiligung an Awacs-Aufklärungsflügen über der Türkei und der Arbeit der Bundeswehrsoldaten in Kuwait, die Angriffe mit chemischen und biologischen Kampfstoffen abwehren sollen.

Allerdings steht die Beteiligung an den Awacs-Flügen inzwischen in Frage. »Sollte die Türkei in den Krieg eintreten, ziehen wir die Soldaten ab«, verkündete Fischer am vergangenen Wochenende. Keine Beteiligung am Krieg, aber die Erfüllung der Bündnisverpflichtungen, sofern sie nicht mit dem Krieg zusammenhängen, so lautet die Devise.

Ist Schröder nun der Friedenskanzler, den sich die Friedensbewegung immer gewünscht hat? Während die meisten Demonstranten ihre Sympathie für den Kanzler ausdrücken, mögen sich radikalere Kreise dieser Begeisterung nicht anschließen. Die Überflugrechte sollte die Bundesregierung ebenso verweigern wie die Teilnahme deutscher Soldaten an den Awacs-Aufklärungsflügen, heißt es beinahe überall.

»Ein wesentlicher Teil der deutschen Friedensbewegung schaffte es bislang kaum, inhaltlich über Regierungspositionen hinauszukommen«, tadelt das Informationsnetzwerk Indymedia auf seinem deutschen Portal. Denn Deutschland habe wesentliche Impulse für die Militarisierung der Europäischen Union gegeben und plane längst eigene Kriege. Welche, wird noch nicht verraten.

Die radikale Linke verweigert sich der Realität, um das eigene Weltbild nicht in Frage stellen zu müssen. Die historische Bedeutung des Streits zwischen Deutschland und den USA ignoriert sie einfach. Und während Schröder weltweit als Friedenspolitiker gefeiert wird, unterstellt man ihm, er beteilige sich doch am Krieg.

Auch die Versuche der PDS, aus dem Krieg Kapital zu schlagen, wirken bestenfalls hilflos. Im Vertrauen auf die staatlichen Verfolgungsbehörden erstattete man Strafanzeige gegen die Bundesregierung bei Bundesanwalt Kay Nehm. Der Vorwurf lautet auf Vorbereitung eines Angriffskrieges. Nehm lehnte Ermittlungen erwartungsgemäß ab.

Und selbstverständlich forderte die PDS-Vorsitzende, Gabi Zimmer, den USA die Überflugrechte zu entziehen. »Das ist rechtlich, moralisch und politisch zwingend«, sagte Zimmer dem Neuen Deutschland. Auffällig ist, wie schwer es der PDS fällt, eine Alternative zum gegenwärtigen Friedenskurs der Bundesregierung zu formulieren.

Ebenso durchsichtig ist der Versuch des FDP-Vorsitzenden, Guido Westerwelle, die rot-grüne Koalition zu bedrängen, indem er eine Abstimmung im Bundestag über die Beteiligung deutscher Soldaten an den Awacs-Flügen beim Bundesverfassungsgericht einklagen will. Er sei selbstverständlich nicht gegen den Einsatz, doch man dürfe die Soldaten nicht »in einer unklaren Rechtslage lassen«, sagt Westerwelle, als ob eine Zustimmung des Bundestages für die Soldaten irgendetwas ändern würde.

Besonders schwer hat es in diesen Tagen jedoch die CDU. Während der saarländische Ministerpräsident, Peter Müller, den Krieg mangels einer Uno-Resolution ablehnt und Wolfgang Schäuble immer wieder betont, die Regierung hätte sich um mehr Einigkeit in Europa bemühen müssen, marschiert die Parteivorsitzende Angela Merkel in die Sackgasse.

Nicht nur ihr tapferer Einsatz für die deutsch-amerikanische Freundschaft ist zurzeit ein aussichtsloses Unterfangen, vor allem ihre Vorwürfe an die Bundesregierung sind schwer verständliche. Immer wieder behauptet sie, Schröder habe Deutschland isoliert, so, als ob die breite internationale Front gegen den Krieg nicht existiere.

Zudem habe Schröder die Vereinten Nationen gespalten, obwohl diese in wichtigen Fragen nur selten einheitlich abstimmen. Ihren Vorwurf, Schröder habe den Krieg wahrscheinlicher gemacht, wiederholt Angela Merkel auf Anraten Schäubles nicht mehr.

Stattdessen einigte man sich auf eine andere Formel: »Mit einem Präventivkrieg hat dieser Krieg nichts zu tun«, meint Schäuble. Schließlich zögen die USA lediglich die »ernsthaften Konsequenzen« der Resolution 1441. Doch so steht die Union im Moment auf verlorenem Posten.