Das Libor-Konzept

ich-ag der woche

Der Wirtschaftsliberalismus in Europa ist nicht mehr aufzuhalten. Die europäischen Beschäftigten arbeiten rund um die Uhr, Urlaub ist nicht mehr drin, an Feiertage denken nur noch die Kirchen. Die Supermärkte von Lissabon bis Stockholm werden demnächst Tag und Nacht geöffnet sein.

Nur einer widersetzt sich diesem Trend. Der 30jährige Polansky Libor wohnt in Paseky, nahe der Stadt Pisek in Tschechien. In dem kleinen Örtchen Udraz betreibt er einen Laden: Kolonial u Libora. Zu kaufen gibt es dort alles, von Zigaretten über Milch und leckere Brötchen bis hin zu Becherovka. Der Kunde ist noch König, nett und freundlich wird er von Libor bedient. Seit vier Jahren hat er nun das Geschäft, und er wirkt zufrieden. Es kämen viele Touristen, in der Nähe sei ein Campingplatz.

Aber wer nun denkt, Libor arbeite Tag und Nacht zum Wohle dieser Tschechienreisenden, der irrt. Dass der Geschäftsinhaber dieses kleinen »Kolonialwarenladens« so gut drauf ist, liegt auch an den Arbeitszeiten, die er sich selber vorgegeben hat. Zwar öffnet der einzige Laden in Udraz von Montag bis Samstag um 7.15 Uhr. Aber an den meisten Tagen schließt er bereits um 12 Uhr wieder. Nur am Dienstag, am Donnerstag und am Freitag hat er länger geöffnet: bis 15.30 Uhr.

Und das Konzept scheint aufzugehen. Zufrieden lächelt Libor und packt die Brötchen ein. Ahoi, ruft er seinen Kunden zu. Ein Konzept, an dem sich die Verwalter der Servicewüste Deutschland mit ihrem Kasernenhofton ein Beispiel nehmen sollten. Weniger arbeiten ist eben doch mehr Lebensqualität.

stefan wirner