Chance für den Nahen Osten

Der Sturz Saddam Husseins eröffnete die Chance auf eine umfassende Demokratisierung der Region. von klaus thörner

Unvergessen sind die Bilder der jubelnden Bevölkerung in Bagdad, Mossul, Kirkuk und Basra, die alle Prognosen deutscher Nahostexperten und Appeasement-Demonstranten von einem Flächenbrand in den arabischen Ländern ad absurdum führten. Das vorrangige Ziel der Landung der US-Truppen und ihrer Verbündeten im Irak wurde gegen allen Widerstand des deutsch-französischen Machtblocks erreicht: Beendet wurde die Herrschaft eines der grausamsten Diktatoren der Geschichte, der – unter anderem mit chemischen Waffen aus deutscher Produktion – hunderttausende IrakerInnen ermorden ließ, der aufgrund großarabischer Ambitionen die Nachbarstaaten Iran und Kuwait überfiel und dessen eliminatorischer Antisemitismus eine permanente Bedrohung für die Existenz des Staates Israel darstellte. Verkehrt war nur die Begründung: Suche nach Massenvernichtungswaffen. Allerdings ermöglichte erst dieses Motiv, dass die USA ein paar Verbündete fand, die (noch) nicht bereit sind, sich einer deutsch-französischen Hegemonie und ihrem Schulterschluss mit arabischen Despoten unterzuordnen, was zeigt, wie sehr die USA und Israel heute in der Weltpolitik bereits isoliert sind.

Mit dem Sturz Saddams sind die Fenster für eine umfassende Demokratisierung der arabischen Länder in Nordafrika und dem Nahen Osten geöffnet. Kein einziger der 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga ist eine Demokratie. Der Irak könnte die erste sein. Nachdem Libyens Gaddafi sich jetzt gezwungen sieht, auf seine Massenvernichtungswaffen zu verzichten und die Kooperation mit den USA zu suchen, bietet Syriens Assad erstmals seit Jahren Israel Friedensverhandlungen an, und die Herrscherfamilie in Saudi-Arabien stellt halbwegs freie Wahlen und ein konsequentes Vorgehen gegen den islamistischen Terror in Aussicht. Im Iran könnte eine gelungene Demokratisierung und Säkularisierung des Irak die Mullahs weiter in die Enge treiben und einer so gestärkten Protestbewegung mit einer wie auch immer gearteten Unterstützung von außen den Sturz der Ayatollah-Diktatur ermöglichen.

Mit dem Sturz Saddams ist eine wichtige Finanzquelle des Selbstmordterrorismus aus dem Gazastreifen und der Westbank versickert. Der Stopp der Finanzströme aus Saudi-Arabien, Syrien und dem Iran würde dem Selbstmordterrorismus von Hamas, Jihad und Al-Aqsa-Brigaden die materiellen Grundlagen entziehen. Konsequenter Druck auf die palästinensische Autonomiebehörde zur Entwaffnung der Terrorbanden und zur Durchführung bis heute verweigerter freier Wahlen könnte endlich Perspektiven für eine israelisch-palästinensische Koexistenz schaffen. Noch leben 400 Millionen Menschen in den arabischen Ländern unter brutalen Diktaturen. Noch lassen die iranischen Mullahs für Demokratie demonstrierende Studenten mit Rasierklingen foltern, noch werden Homosexuelle und Regimegegner in Ägypten ins Gefängnis geworfen und mit der Todesstrafe bedroht, noch werden Frauen, die außerehelichen Sex haben, in Saudi-Arabien geköpft und noch wird in den arabischen Ländern von staatlich unterstützten Radio- und Fernsehsendern regelmäßig Antisemitismus verbreitet.

Nach dem Saddam-Regime könnten auch die Diktaturen in Syrien, Saudi-Arabien und dem Iran fallen. Karl Marx formulierte den kategorischen Imperativ, »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist«. Im Gegensatz zur Antiglobalisierungslinken ist die Bush-Regierung in ihrer Irak-Politik – aus welcher Motivation auch immer – diesem Imperativ gefolgt.

Doch es steht in den Sternen, ob die US-Invasion im Irak den Anfang oder schon das Ende einer Demokratisierung der arabischen Länder einläutete: Nur wenn George W. Bush im November die US-Wahlen gewinnt, seine Regierung sich dauerhaft und konsequent an den Strategien der Neocons um Richard Perle und Paul Wolfowitz orientiert und es gelingt, den politischen Einfluss einer deutsch geführten EU im Nahen Osten auf ein Minimum zu reduzieren, besteht eine Chance für ein Ende von Hamas, Jihad, Hizbollah, al-Qaida und Arafat, eine Chance für ein Ende der Diktaturen und Terrorfinanziers im Iran, in Syrien, in Saudi-Arabien und eine Chance für dauerhafte Sicherheit und Frieden für den jüdischen Zufluchtsstaat Israel.

Klaus Thörner ist Sozialwissenschaftler. Im Sommer erscheint bei Ça Ira sein Buch »Der ganze Südosten ist unser Hinterland. Deutsche Südosteuropapläne von 1840–1945«.