Wettbewerb für härtere Knäste

Föderalismusreform und Strafvollzug von oliver tolmein

So viel Lust an feinsinnigem Spott hätte man der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) gar nicht zugetraut. In einem Interview zur Förderalismusreform forderte sie, die Bundesländer sollten in einen »Wettbewerb um den besten Strafvollzug« eintreten. Die Reform macht den Strafvollzug zur Ländersache. Die Ministerin weiß selbstverständlich, dass ihr Appell keinesfalls zur Initiative »Justiz forscht« oder zum innovativen Konzept »Schönerer Knast« führen wird. In naher Zukunft wird es stattdessen viel Lärm um das Vollzugsziel geben. Es ist ein Überbleibsel aus den siebziger Jahren, als nicht der Föderalismus, sondern die Gesellschaft reformiert werden sollte. Im Strafvollzugsgesetz ist bemerkenswert klar formuliert: »Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.«

Wenn auch nicht als Ziel, so wird doch der »Schutz der Allgemeinheit« im heute noch geltenden Bundesgesetz als weitere zentrale Aufgabe des Strafvollzugs erwähnt. Den Bundesländern war und ist das zu wenig. Sie haben deshalb bereits im Jahr 2003 über den Bundesrat ein Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. Sollte das Bundesverfassungsgericht diesem Plan zustimmen, würde man dem populistischen Zeitgeist folgen und die Sicherheitsinteressen aufwerten. Der Schutz der Allgemeinheit würde zum Ziel des Strafvollzugs erklärt werden. Der Begründung des Gesetzesentwurfs zufolge soll er sogar Vorrang vor der Resozialisierung haben.

In der nächsten Zeit werden sich die Probleme allerdings weniger aus dem Bemühen der Bundesländer ergeben, die »Sicherheit« von der Aufgabe zum Ziel aufzuwerten. Schon heute ist die »Resozialisierung« der Gefangenen nur noch auf dem Papier das Ziel des Strafvollzugsrechts. Und für die Zukunft haben die Bundesländer finanzielle Interessen: Der Strafvollzug soll billiger werden.

Zur Disposition stehen damit so kostenträchtige Ansprüche der Gefangenen auf Weiterbildungsmöglichkeiten in der Haftzeit, auf Sozialtherapie, Ausführungen, soziale Hilfen und sicher auch die Unterbringung in Einzelzellen. Stattdessen werden der kostengünstige Verwahrvollzug und die Privatisierung in verstärktem Maß auf die Tagesordnung gesetzt und durch neue gesetzliche Regelungen abgesichert werden.

Dass es so zu einem Gefälle zwischen den Ländern kommen könnte und die oft beschworene Kleinstaaterei Einzug in Deutschland hält, ist mit dem Blick auf den Strafvollzug die geringere Gefahr der Föderalismusreform. Schon jetzt liegen die Verwaltungsregelungen für den Vollzug in der Hand der Länder. Deshalb hat ein Gefangener in Schleswig-Holstein bessere Chancen, Hafterleichterungen zu erleben, als einer in Bayern.

Schlimmer wäre es, wenn die Bundesländer ihre neuen Kompetenzen künftig nutzen würden, um einen Standard zu etablieren, der im Ergebnis verblüffend einheitlich und aus der bürgerrechtlichen Perspektive sehr niedrig sein dürfte. Eine erste Probe ihres Eifers, Gesetze zum Strafvollzug zu erlassen, werden die Bundesländer möglicherweise auf einem ganz besonderen Gebiet geben müssen. Im Jugendstrafvollzug haben sie sich in der Vergangenheit eher bemüht, die Entwicklung gesetzlicher Regelungen zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht hat den Ländern in einem Beschluss vom Mai 2005 bis zum Ablauf des Jahres 2007 Zeit gegeben, in diesem Bereich gesetzliche Regelungen zu schaffen.

Da gerade das Jugendstrafrecht vielen konservativen Ministerpräsidenten zu liberal erscheint, werden sie diese Möglichkeit kaum ungenutzt verstreichen lassen. Im Jugendstrafvollzug könnte bald der harte Ton der Bootcamps herrschen: »Zero Tolerance« statt »Schönerer Knast«!