Mit stumpfem Schwert

Die verordnete Beugehaft für Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt zeigt, dass es der Bundesanwaltschaft nicht um Aufklärung geht. Sie dient eher der Profilierung der von einem Bedeutungsverlust bedrohten Behörde. kommentar von oliver tolmein

Im vergangenen Jahr bedurfte es noch der Mühe und der Drohung mit einem Gerichtsverfahren, bis die Bundesanwaltschaft die Urteile gegen Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt zur Veröffentlichung freigab. Wer sie liest, weiß danach, dass das Interesse an der Rekons­truktion der Mordanschläge und Entführungen in den frühen achtziger Jahren nicht groß war: Die Verfahren sollten anders als der Stammheimer Prozess gegen die erste Generation der RAF zügig durchgeführt und mit hohen Haftstrafen beendet werden. Das ist gelungen.

Dass nun, bald 31 Jahre später, mit Vehemenz gefordert wird, der vollen Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen, könnte man angesichts dessen überraschend finden – zumal offenbar beim Verfassungsschutz seit langem Informationen vorliegen, denen niemand nachgegangen ist. Grundsätzlich spricht allerdings vieles dafür, den Kenntnisstand über die Entführungsversuche, Attentate und Anschläge von 1977 zu erhöhen – insbesondere der Wunsch der Hinterbliebenen zu erfahren, wer geschossen hat, ist nachvollziehbar und zu respektieren. Allerdings lässt sich unschwer voraussagen, dass der Weg zur Wahrheit nicht durch weitere Gerichtssäle führen kann.

Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft ist angesichts dessen bemerkenswert, denn es führt nicht zu neuen Erkenntnissen, sondern so weit weg von ihnen wie nur vorstellbar. Schon ihre Bestrebungen im vergangenen Jahr, selbst den Wortlaut längst verkündeter gerichtlicher Entscheidungen gegen Klar, Folkerts und Mohnhaupt der Öffentlichkeit vorzuenthalten, zeigten, dass nicht das Bemühen um Aufklärung handlungsleitend ist. Nun Beugehaft zu beantragen, passt ins Bild: Es ist einerseits das konfrontativste Mittel der Wahl – und es ist bei Menschen, die bereits mehr als zwei Jahrzehnte in Haft waren, ein äußerst stumpfes Schwert.

Wer aber so offensichtlich durch sein Tun die vorgeblichen Ziele hintertreibt, muss sich die Frage gefallen lassen, worum es wirklich geht. Ein Aspekt könnte sein, dass die Bundesanwaltschaft ihrem drohenden Bedeutungsverlust entgegenwirken will – ihr fehlt der große Feind, gegen den auch die Länder bereit sind, einer zentralen Bundesinstanz das Recht des entscheidenden Zugriffs einzuräumen. In mehreren Verfahren, die sie an sich gezogen hat, hat sie Schlappen einstecken müssen – zuletzt wegen ihres aggressiven Vorgehens gegen die G8-Gipfelgegnerinnen und -gegner, das der Bundesgerichtshof für unrechtmäßig befand.