»Sex and the City«, der Film

Der Sex, die City und die Männer

Der nette Möbeldesigner, der attraktive Autor, der geniale Maler – Beziehungskandidaten gab es viele im Leben der Carrie Bradshaw. Doch nur der geheimnisvolle Geschäftsmann Mr. Big steht jetzt im Finale: Nach sechs süchtigmachenden Staffeln »Sex and the City« kommt die TV-Geschichte um die New Yorker Starkolumnistin und ihre Männer jetzt zum krönenden Abschluss ins Kino. Hat sich die Liebes- und Dating-Expertin für den Richtigen entschieden?

Angeblich dreht sich in der Serie alles um Mode und Styles, aber in Wahrheit ist die durchschnittliche »Sex and the City«-Zuschauerin nicht wirklich in der Lage, einen Manolo-Blahnik-Stiletto treffsicher von einer Christian-Louboutin-Sandalette zu unterscheiden. Was jedoch wirklich für Diskussionen unter SATC-Expertinnen sorgt, ist die Partnerwahl der Protagonistinnen, schließlich steckt in dem schlau konstruierten Beziehungsgeflecht der Serie eine Menge Material zum Beziehungsthema.
Natürlich konnte man die Nase darüber rümpfen, dass der Joballtag der vier Karrierefrauen mit den Glam versprechenden Berufen als Journalistin, Anwältin, PR-Managerin und Galeristin nur als Kulisse für Affären und Beziehungsanbahnungen diente. Allerdings repräsentiert die Serie als typisches Produkt der neunziger Jahre damit die Dominanz der Themenstrecke Identität, Körper und Sexualität sowohl in der akademischen als auch der popkulturellen Debatte, und das auf absolut unanstrengende Weise im Comedy-Format.
Wer begehrt wen warum? Insbesondere ­Carries Entscheidung, den notorischen Beziehungsverweigerer Mr. Big mit dem großen Nähe-und-Distanz-Problem zu heiraten, gilt bei SATC-Fans als umstritten. Zumal bis zuletzt nicht klar sein dürfte, ob Mr. Big ernsthaft ins Hafenbett der Ehe einzulaufen gedenkt, wie Carrie sich das seit vielen Jahren und sechs Staffeln insgeheim wünscht. Mr. Bigs Mängelliste ist lang, und es hätte mit dem sympathischen Möbeldesigner und fürsorglichen Golden-Retriever-Besitzer Aiden Shaw schließlich auch einen umwerfenden Gegenkandidaten gegeben. Aiden kann es nicht nur an Größe und Breitschultrigkeit mit Big aufnehmen, sondern hat auch dieses entwaffnende Lächeln. Unzweifelhaft war der jungs­hafte und un­komplizierte Möbelbauer bis aufs Äußerste in Carrie verliebt, und da er zudem extrem bindungsfähig auftrat, war Aiden nicht nur eine ernsthafte Konkurrenz für den zärtlichen Zy­niker Big, sondern auch der von vielen Zuschauerinnen favorisierte Kandidat. Leider ging die Fürsorglichkeit des Kandidaten der Herzen dann so weit, Carrie schlichtweg das Rauchen zu verbieten, wobei der Mann nun mal Amerikaner und damit so gut wie entschuldigt ist. Ansonsten sagt Aiden immer die richtigen Dinge: »I have a life, I’m just making room for you in it«, oder »You make me happy« und »Let’s get you a donut«.
Carries letzten Dauerfreund aus der sechsten Staffel, den erheblich älteren russischen Star-Künstler Aleksandr Petrovsky, vermisst man da­gegen nicht wirklich. Der Mann war eine ­Casting-Panne und vereinigte die schlechtesten Big-Eigen­schaften auf sich – war unzuver­lässig, narzisstisch und dauernd mit seinem Ruhm beschäftigt –, ohne auch nur ansatz­weise über die magnetische Anziehungskraft des großen Rivalen zu verfügen.
Schön, aber auch ein bisschen langweilig und fast schon vergessen ist der in den Anfängen der Serie angesiedelte Jack Berger, der als attraktiver Drei-Tage-Bart-Träger und erfolgreicher Autor perfekt ins Journalistinnen-Beuteschema passte. Als Carrie dann aber ihren schreibenden Lover auf der Karriereleiter überholte, war die ganze Wie-Sartre-und-Beauvoir-Magie schlag­artig verflogen.
Mit Mr. Big kann das nicht passieren. Der Name definiert alles, Mr. Big ist bigger than life und damit leider auch nie ganz von Carries Welt. Was er beruflich macht, bleibt völlig unklar, irgendwelche Geschäfte werden es sein. Sein Frauenverschleiß (Models) wird diskret angedeutet und macht ihn noch attraktiver. Die erste Begegnung hat den berühmten Starkstromkabel-Effekt, der sich auch nach längerer Zeit nicht nennenswert abzuschwächen scheint.
Im Grunde hat der Mann aber außer Telefonaten, Essengehen und Bett wenig zu bieten, er konzentriert sich mit durchschlagendem Erfolg auf das Kerngeschäft des Lovers. Muss erwähnt werden, dass Big über weite Strecken verheiratet ist und sich nur halbherzig zur Scheidung von seiner Frau Natascha entschließt? Carries Freundeskreis kennt den Mann nur vom Hörensagen, ein sorgfältig geplantes Zusammentreffen von Big und den drei Busenfreundinnen sagt er in letzter Minute ab; und seiner Mutter verkauft er Dauerfreundin Carrie bei einer zufälligen Begegnung als lediglich flüchtige Bekanntschaft.
Ein Schlag in die Magengrube zwar, andererseits schöpft die Gedemütigte gerade aus dieser Begegnung größte Hoffnungen. Dass ein Mann am Sonntagmorgen seine alte Mutter zur Kirche begleitet, kann nur heißen, dass er von Models und Schauspielerinnen genug hat und insgeheim doch ganz andere Wünsche hegt. Hat sich die Liebes- und Dating-Expertin perspektivisch für den Richtigen entschieden? Mister Big ist als entschärfte Version des auf Models und Luxus fixierten Wallstreet-Snobs Patrick Bateman eine Retro-Figur, ein glamouröser Charakter der achtziger und neunziger Jahre, und die Entscheidung für ihn folgt der Werte-Logik der Neunziger. In Zeiten von Immobilienkrise und anderen Bedrohungslagen würde man sich dann doch eher für einen Edel-Handwerker entscheiden, der weiß, wo es gute Donuts gibt.

»Sex and the City« (USA 2008). Start: 29. Mai