Echte Viren

Kaum sind die Blätter von den Bäumen gefallen, kaum sind die einzigen Adjektive, die man zur Wetterbeschreibung benutzen kann, Worte wie »trostlos« und »deprimierend«, mit anderen Worten: Kaum ist es Herbst geworden, beginnt die Zeit der Erkältungsmittel-Werbespots.
In deren Mittelpunkt stehen allerdings nur die medizinischen Aspekte des grippalen Infekts, beziehungsweise Mittel, die ganz sicher vor­beu­gend wirken, schützen, oder, wenn’s bereits zu spät ist, »die fünf schlimmsten Erkältungserscheinungen auf einmal« lindern oder »für ruhigen Schlaf« sorgen oderoderoder.
Als erkälteter Mensch solche Werbung anzuschauen, ist sehr traurig, denn zum einen schwingt in den Vorbeuge-Spots immer der unausgesprochene Vorwurf mit, dass man an der Schnupfenmisere mangels unzureichender Schutz­maßnahmen selber schuld ist, und zum anderen sagt einem die allgemeine Le­bens­er­fah­rung, dass man keinesfalls auf der Straße ein hilfreiches Zwillingspaar finden wird, das einen zur Apotheke bringt und dort dafür sorgt, dass man die richtigen Medikamente bekommt.
Außerdem sind Pillen nicht das große Problem bei einer Erkältung, sondern die Langeweile, die einen auch dazu getrieben hat, Werbung und damit Grippemittelreklame zu gucken.
Viel hilfreicher wären Spezial-Spots für Produkte, die Kranke wirklich interessieren: Bücher, die man auch mit 38,6 Grad Körpertemperatur noch verstehen kann, lustige Spielchen wie Puzzles, die man – der Ansteckungsgefahr wegen – auch mit sich allein spielen kann und die Niesanfälle und Hustenstakkatos problemlos überstehen, Filme, die man auch mit Fieberschleier vor den Augen sehen kann, und, na­tür­lich, Handygames, bei denen es das Ziel ist, bösartige Viren und Bazillen niederzumetzeln.