Die Schließung von freien Schulen im Osten

Schulen zu Pflugscharen

Durch die Schließung vieler Schulen im Osten ist der Bedarf an freien Schulen gewachsen. Das Land Brandenburg will deren Finanzierung jedoch nicht aufstocken.

Grundsätzlich dürfen in Deutschland auch nichtstaatliche Schulen gegründet werden. So steht es im Grundgesetz. Voraussetzung ist, dass sie der Kontrolle des Staates unterliegen. Auch das brandenburgische Schulgesetz erlaubt Schulen in freier Trägerschaft. Diese müssen vom Land genehmigt werden und sich an die im Schulgesetz vorgesehenen Bildungsgänge halten. Auch wenn freien Schulen der Ruf anhängt, sie seien – als vermeintliche Privatschulen – etwas für Reiche, so werden doch viele dieser Schulen von gemeinnützigen Vereinen getragen und sind ein wichtiger Teil der schulischen Grundversorgung. 20 Prozent ihrer Schüler kommen aus armen Familien. Dabei entlasten die freien Schulen die Bildungsbudgets der Bundesländer. Denn ein Schüler an einer freien Schule etwa kostet das Land Brandenburg jährlich 1 800 Euro weniger als an einer staatlichen Schule. Mehr als acht Prozent der Schüler in Brandenburg besuchen mittlerweile freie Schulen.

Bereits im Sommer wurde der brandenburgische Haushaltsplan für das nächste Jahr bekannt, der Kürzungen im Bildungsbereich vorsieht. Günther Fuchs, dem Landesvorsitzenden der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), zufolge geschehe das, obwohl das Land bei den Ausgaben für Bildung und Wissenschaft im Bund an letzter Stelle liege. Tatsächlich wurde in den vergangenen 20 Jahren jede zweite Grundschule und weiterführende Schule geschlossen oder befindet sich vor der Schließung. Fuchs sieht darin eine Ursache für den stärkeren Bedarf an alternativen Schulen: »Wichtigstes Motiv für die Gründung freier Schulen ist der Rückzug der staatlichen Schulen aus dem ländlichen Raum.« So war es auch in Roddhan, einem Ortsteil von Neustadt an der Dosse. Seit es dort wieder eine Schule gibt, ziehen jedes Jahr zwei neue Familien in den Ort. Inzwischen gibt es auch eine Oberstufe.
Nun sorgt man sich wegen der anstehenden Kürzungen, wie etwa André Kroll, ein Lehrer an der Nachbarschaftsschule in Roddahn: »Wird gekürzt, gibt es keinen Bereich mehr, in dem nicht rationalisiert werden muss: beim Lehrergehalt, beim Schulessen, bei der Schulausstattung. Vielleicht werden wir schließen.« Der brandenburgische Finanzminister Helmuth Markov (Linkspartei) sieht die freien Schulen jedoch nicht bedroht und verweist im Gespräch mit der Jungle World darauf, dass diese ab 2012 sogar fünf Millionen Euro zusätzlich bekämen. »Lediglich der erwartete Zuwachs«, so Markov, »fällt nicht so hoch aus.« Gemeint ist damit der größere Bedarf der freien Schulen, der sich unter anderem aus den gestiegenen Schülerzahlen ergibt. Um wenigstens den Status quo wahren zu können, wären weitere fünf Millionen Euro nötig, so die Antwort der Landes­regierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen vom Oktober dieses Jahres.
Für Hardorp, dem Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Freie Schulen Brandenburg, macht die Rechnung des Finanzministers »überhaupt keinen Sinn«. Denn die Zuschüsse zur Finanzierung der Lehrer und Schulen würden pro Schüler und nicht pro Klasse berechnet. »Je kleiner eine Klasse, desto weniger Schüler erhalten einen Zuschuss und desto weniger Geld hat die Schule insgesamt«, so Hardorp. Angesichts der Tatsache, dass die Tarife für Lehrkräfte angehoben und viele Klassen verkleinert wurden, entfielen auf ein Kind an einer freien Grundschule zukünftig 480 Euro weniger.

»Wenn Eltern wollen, dass ihre Kinder an freie Schulen gehen, dann müssen sie dafür auch bezahlen«, argumentiert Markov, der eine Konkurrenz mit den staatlichen Schulen vermeiden möchte. Das betrachtet Fuchs als zynisch. Brandenburg ziehe sich »mehr und mehr aus dem öffentlichen Bildungssystem zurück«, und gerade dadurch werde »die Privatisierung immer mehr vorangetrieben«. Tatsächlich zeigt eine aktuelle Studie der GEW, dass kommerzielle Unternehmen immer häufiger in diese »Bildungslücke« hineindrängen. Im Gegensatz zu den reformpädagogischen Schulen stehen diese jedoch für wirkliche Konkurrenz.