Die neue Sommermode

Wie Grace Kelly in Crogs

Eklige Farben, hässliche Muster. Und dann diese scheußlichen Schuhe! Elke Wittich nörgelt über die neue Sommermode

Hochfrontpumps – was klingt wie der Name einer rechtsradikalen Girlgroup, ist in Wirklichkeit der letzte Schrei auf dem Gebiet der Damenschuhe und ein wesentlicher Grund, warum die aktuelle Frühjahrs- und Sommermode von ausgesuchter Scheußlichkeit zu werden verspricht.
Hochfrontpumps sind nämlich nichts anderes als jene hinlänglich bekannte unauffällig-bequem-hässliche Fußbekleidung, die beispielsweise Leute, die ihre freien Tage mit mindestens sechsstündigen Wanderungen verbringen, bevorzugt anziehen, also feste Schuhe, nur halt mit hohen Absätzen dran. Wenn man sich einen beigefarbenen (oder, schlimmer noch: schwarz-weiß gemusterten) Gesundheitsschuh mit bräunlichen Schnürsenkeln plus Highheels vorstellt, sind das Resultat Hochfrontpumps.
In normalen Jahren, also in solchen, in denen diejenigen, die entscheiden, was hip ist, nicht vollkommen verrückt geworden sind, könnte das nun vollkommen egal sein. Bedauerlicherweise scheint 2012 jedoch kein normales Jahr zu werden. Was sich schon daran zeigt, dass es einfach nicht möglich ist, in einen Laden zu gehen und Schuhe zu kaufen, die nicht scheiße aussehen. Pumps in Nichthässlich beispielsweise? Gibt es nicht. Stattdessen sind die Regale voll mit Ballerinas, diesen eigenartigen Dingern, die nicht einmal dann gut aussehen, wenn kein Fuß drinsteckt. Warum man flache Schuhe ausgerechnet nach einer Bevölkerungsgruppe benennen muss, die ihr Arbeitsleben weitgehend auf Zehenspitzen verbringt, gehört zu den großen Rätseln der Moderne, aber sei’s drum. Wie die Dinger heißen, könnte ja gründlich egal sein, wenn sie nicht diesen unschönen Effekt hätten, ihre Trägerinnen, jedenfalls sobald diese nicht mehr zwölf Jahre alt sind, aussehen zu lassen wie eine ganz besonders plattfüßige Ente. Immerhin, die gute Nachricht lautet: Niemand muss Ballerinas tragen. Die schlechte Nachricht lautet jedoch kurz und bündig: Mokassins. Genau, die Dinger mit den Troddeln dran sind wieder da. Und sie bewirken, na, was wohl? Richtig, dass man darin aussieht wie eine ganz besonders plattfüßige Ente. Mit Troddeln dran.
Damit ist das diesjährige Schuhelend aber noch nicht komplett. Es gibt nämlich noch die sogenannten Schnürschuhe, also das, was Männer rund ums Jahr zu tragen gezwungen sind und was dadurch, dass es nun in neckischen Farben wie moosgrün oder matschgelblich angeboten wird, nicht schöner wird. Plus: Keilabsätze, merkwürdige Konstrukte, die immer, immer, immer so wirken, als habe ihre Trägerin sich nach alter chinesischer Sitte die Füße abbinden lassen. Dass Clogs, diese Ausgeburt der Schuhhölle, wieder total in sind, macht da eigentlich auch schon nichts mehr, und ja, das war natürlich auch zu erwarten, nachdem seit einiger Zeit Gartenschuhe zum hippsten Ding seit der Erfindung der Cordhose erklärt worden sind, also diese Teile, die aus buntem Plastik bestehen und allen, die sie anziehen, neben blöd aussehen extrem hartnäckigen Fußpilz bescheren. Hoffentlich.
Immerhin passt die aktuelle Schuhmode ganz prima zum allgemeinen Modetrend, der mit »Och nö« hinreichend beschrieben ist. Und der unter anderem aus Blümchenmustern besteht. Nun ist gegen Blumen ja im Grunde nichts einzuwenden, solange es sich nicht um Alpenveilchen handelt. Floral bedruckte Kleidung sieht jedoch in aller Regel nur dann gut aus, wenn sie in Schaufenstern präsentiert wird. An Menschen wirkt sie dagegen, vor allem, wenn es sich um blumige Wimmelbilder handelt, immer ganz furchtbar überfüllt. Bei lauter Blüten und Blättchen und Gedöns ist es kaum möglich, a) nicht an »da verstecken sich bestimmt ganz viele eklig bissige Insekten«, b) Matschgeruch, c) »meine Güte, ist das aber fies bunt«, d) Heuschnupfen und e) alles gleichzeitig zu denken.
Zum Glück gibt es aber natürlich in diesem Jahr nicht nur Blümchenkleider. Zum Unglück gibt es Grün. Zum Beispiel als Maxi-Tellerrock. Das muss man sich so vorstellen: Mit einer schaum­weißen Corsage aus Satin wird eine Menge Stoff in Bierflaschenfarbe kombiniert, was zwar bei Trinkern ganz sicher zu ausgesprochenen angenehmen Assoziationen führt, jedoch nicht notwendigerweise den Eindruck grenzenloser Eleganz vermittelt – obwohl der Rock immerhin lang genug sein dürfte, dass die Troddeln an den dazu getragenen Mokkasins nicht sichtbar sind. Und wo wir schon bei Grün sind: Eine »Seidenbluse mit Brusttaschen und geraffter Schulternaht« sieht auch dann aus wie Oberförsteroberbekleidung, wenn sie von Ralph Lauren hergestellt wurde und 150 Euro kostet.
Dann vielleicht lieber doch Pastellfarben? Rosé, Bleu, zartes Gelb, pudriges Orange? Neinneinnein. Schlussendeaus, keine Diskussion. Und schon gar nicht zu Ballerinas, denn was auf den einschlägigen Fotos in Modezeitschriften so wunderschon ätherisch aussieht, also Zarte-Frau-in-zarten-Farben steht-verhuscht-in-irgendeiner-von-Morgennebel-umwaberten-Landschaft-herum-und-macht-sich-Gedanken-über-dies-und-das, macht aus richtigen Menschen plattfüßige Enten in durch unsachgemäßen Waschgang unvorteilhaft kolorierten Klamotten.
Womit wir beim restlichen Farbangebot der Saison wären, das euphemistisch gern als »kräftiges Türkis, Orange, Rot und Pink« bezeichnet wird und demnach Neon ist. Mithin also grell. Wir erinnern uns: die Neue Deutsche Welle. Scheußliches Schlagerähnliches, vorgetragen von Menschen in neonfarbenen Anziehsachen, die zu allem Überfluss auch noch Stirnbänder trugen. Hin und wieder, wenn NDR3 oder ähnliche Fernsehsender es für nötig befinden, das wegzusenden, was sich noch so in den Archiven befindet, kommt es zu sogenannten Langen Nächten. Am allerunschönsten anzusehen sind die, in denen die NDW-Stars von einst gesammelt präsentiert werden, und das liegt nicht nur an den Stirn-, und in manchen Fällen auch Schweißbändern sowie an den gestreiften Hosen, die zu tragen ruchlose Modeschöpfer den armen Menschen damals vorschrieben, nope, es liegt vor allem am Toptrend Neon. Was auf hoher See durchaus seine Berechtigung hat, nämlich möglichst weithin sichtbar als Signal für große Not zu wirken, ist als Bekleidungsfarbe nur dann von Vorteil, wenn man vorhat, sich in einer verschneiten Tiefebene zu verirren und vom Rettungshubschrauber aus möglichst schnell entdeckt zu werden. Nun ist es allerdings eher unklug, sich während der Winterzeit im Sommeroutfit in die Natur aufzumachen, so dass der große Vorteil der Neon-Kleider in Wirklichkeit keiner ist (außer man legt es darauf an zu erfrieren, aber dann kann es einem ja eigentlich auch egal sein, wenn man erst nach dem Einsetzen einer längeren Tauwetterperiode von Wanderern gefunden wird).
Aber natürlich sind auch noch andere Einsatzmöglichkeiten für grellfarbene Oberbekleidung denkbar. Wenn man es schätzt, seine Mitmenschen zu blenden, sollte man unbedingt in Neonpink herumlaufen, ebenso für den Fall, dass man gern von fassungslosen Kleinkindern angestarrt wird, die ihre Mütter lautstark fragen, warum die Tante da hinten angezogen ist wie Hello Kitty.
Und hej, es gibt selbstverständlich auch Situationen, in denen Giftiggelb adäquat ist, zum Beispiel dann, wenn man jemanden abholt, dem gerade der Magen ausgepumpt wurde. Dann vielleicht doch lieber Neongrün? Klar, wenn man auf eine Demo gegen Atommülllagerung geht, ist man damit auf jeden Fall passend angezogen.
Wie auch mit Overalls, diesen Dingern, die bedauerlicherweise auch wieder zurück sind. Warum sich erwachsene Menschen in eine Kleidungsabart werfen, die nichts als Ärger macht und sie im ungünstigsten Fall aussehen lässt wie Presswurst mit Reißverschluss, ist vollkommen unklar. Besonders toll wird das Ganze überdies, wenn der Reißverschluss das macht, was er und seine Kumpels früher oder später immer tun, nämlich in einem vollkommen ungünstigen Moment kaputtgehen. Stichwort: herausquellende Presswurst. Und wenn man dann das Overall-Ding noch in Neon gewählt hat, wäh.
Ein wenig sicherer ist da schon der sogenannte Fifties-Look. Enge Etui-Kleider, vorzugsweise in schwarz, wunderschöne Bleistift-Röcke, optional mit Schlitz, coole Shirts – man kennt das aus Filmen mit Audrey Hepburn. Und aus der Serie »Mad Men«, die maßgeblich zur Renaissance der Stilrichtung beigetragen hat. Gegen den Fifties-Look liegt auch eigentlich nichs weiter vor, außer die aktuelle Schuhmode, die einfach nicht dazu passen will. Oder wurde Grace Kelly jemals in Gartenlatschen gesehen? Gibt es etwa Bilder von Doris Day in Mokassins mit Troddeln dran? Trug irgendwer damals Wanderschuhe mit hohen Absätzen?
Und schon gar nicht lief man in den fünfziger Jahren mit den Taschen herum, die zum Must have der Saison erkoren wurden.
Handtaschen sind ein Problem an sich, denn sie sind defintiv nicht multitaskingfähig. Sehen sie schick aus, passt nichts hinein, sind sie geräumig, wirken sie wie Einkaufsbeutel. Und deswegen muss man sich entscheiden: Legt man Wert darauf, angemessen ausgestattet durch den Tag oder die Nacht zu kommen, braucht man irgendwas mit viel Platz drin. Glaubt man allen Ernstes, ohne Handy, Zigaretten, Taschentücher, Geldbörse, Schminkbeutel, rund 50 kleinere Gegenstände und das, was sich unter Diverses zusammenfassen lässt, leben zu können, kann man es durchaus wagen, sich eine dieser teuren winzigen Taschen zuzulegen, die im Fachhandel angeboten werden. Wobei man bei der Auswahl darauf achten sollte, dass sie zur Flureinrichtung passt, denn dort wird das schicke Teil fortan wohnen. Und zwar nachdem sie exakt einmal mit raus genommen wurde und für vollkommen untauglich, ihre eigentliche Aufgabe, nämlich das Beherbergen von Sachen, wahrzunehmen, befunden wurde.
Womit wir zu den Beuteln kommen. Sie sind vor allem, naja, irgendwie beutelig, und das in diesem Jahr auch noch in ausgesprochen eigenartigen Farben. Knallbunt, etwa, oder pastell, aber immerhin gibt es auch Modelle ohne Troddeln dran, was ja schon mal nicht ganz schlecht ist. Ansonsten ist das, was gern als farbenfroh bezeichnet wird, nicht wirklich schön anzugucken, denn grüne, blaue, orange Taschen, die noch dazu glänzen, sehen irgendwie immer so aus, als schleppe man darin einen größeren Einkauf nach Hause, der unter anderem aus einem Viertelpfund Butter, Aufschnitt zu 1,98 Euro das Kilo, einem Sack Kartoffeln, Fischstäbchen, Zitronenlimonade und vier leicht angedetschten Granny-Smith-Äpfeln besteht. Wozu dann auch die trendy Schuhe passen würden, jedenfalls dann, wenn man dieses vernünftige Wanderschuhzeugs mit oder ohne Absätzen trägt. Die aktuellen Sachenbehälter gibt es übrigens auch in der Variation schwarz und nietenbeschlagen, was sie immerhin zu einer ausgezeichneten Nahkampfwaffe macht, wenn sie hinreichend gefüllt sind, aber was ein bisschen doof aussieht, wenn man dazu eines dieser »Ich bin in Wirklichkeit ein total friedlicher, verpeilter Hippie«-Blumenmuster-Kleider gewählt hat.
Aber vielleicht haben wir ja Glück und Ende 2012 geht die Welt wirklich unter. Was zwar ein bisschen schade wäre, schließlich ist die Erde ein soweit ganz okayer Planet und es wäre schon toll gewesen, mitzuerleben, wie die ganzen Verschwörungsspinner sich im Dezember ärgern, dass die ganze Aufregung um den Maya-Kalender und die Apokalypse vollkommen vergebens war. Aber vielleicht wäre es doch modetechnisch gesehen besser, wenn bald Schluss wäre. Bevor noch mehr schauderhaftes Zeugs wiederentdeckt und modern wird. Flache moosgrüne Schuhe, die vorn ganz spitz zulaufen, zum Beispiel. Oder diese eigenartigen Römer-Sandalen, die man sich um die Unterschenkel wickeln muss. Oder dunkelbraune Weitschlag-Cordhosen etwa. Oder Hot Pants. In Beige.