Einschränkung des Demonstrationsrechts in Spanien

Franq und frei

Die spanische Regierung betreibt weiter eine autoritäre Krisenlösung. Mit einem absurden Bußgeldkatalog will sie nun soziale Proteste eindämmen.

Spanien kommt nicht zur Ruhe. Zehntausende Menschen demonstrierten am Wochenende erneut gegen die Krisenpolitik der rechtskonservativen Regierungspartei PP. Während die Bevölkerung verarmt, verkündet Ministerpräsident Mariano Rajoy regelmäßig neue Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitssystem. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht, und mit ihr werden auch die Proteste weitergehen. Mit der gleichen autoritären Arroganz, mit der die konservative spanische Regierung seit ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren ihre Sparmaßnahmen durchsetzt, reagiert sie auf die Protestbewegungen. Nun legte Innenminister Jorge Fernández Díaz einen Gesetzentwurf vor, der das Demonstrationsrecht erheblich einschränken soll. Das Gesetz, dass nach Angaben von Rajoy »die Freiheit und Sicherheit aller Bürger« garantieren soll, bezeichnen Kritiker als »Ley Anti15M«, da es konkret auf die Proteste der »Empörten« von der »Bewegung 15. Mai« zugeschnitten ist. Spontane Demonstrationen vor staatlichen Institutionen sollen ebenso wie die escraches, die Belagerung der Häuser und Arbeitsplätze von Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft, zukünftig unter Strafe stehen.
Da in der Vergangenheit die meisten Richter die Ansicht des PP, dass es sich bei diesen Protestformen um »puren Nazismus« und »Angriffe auf die Demokratie« handele, nicht teilen wollten und statt dessen das Recht auf Meinungsfreiheit betonten, will die Regierung nun mit einem Trick die rechtsstaatliche Gewaltenteilung umgehen. Die Verstöße werden nicht als Straftaten, sondern als Ordnungswidrigkeiten gewertet. Damit bedarf es für die Bestrafung keiner richterlichen Verurteilung mehr, sondern sie wird zu einem reinen Verwaltungsakt. Aufgrund der Höhe der Bußgelder werden die meisten davon Betroffenen wohl doch im Gefängnis landen. Bis zu 600 000 Euro soll es in Zukunft kosten, an escraches oder unangemeldeten Demonstrationen vor dem Parlamentssitz teilzunehmen oder im Internet dazu aufzurufen. Videoaufnahmen von im Einsatz befindlichen Polizisten, die in der Vergangenheit das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte dokumentierten, fallen zukünftig in die gleiche Kategorie. Neben diesen »sehr schweren« Vergehen gibt es noch »schwere Ordnungswidrigkeiten«, die bis zu 30 000 Euro kosten. Dazu kann die Beleidigung eines Polizisten zählen oder bereits das Tragen eines Kapuzenpullis bei Protestkundgebungen.
Das geplante Gesetz zeigt deutlich, dass Rajoy und die Regierung die protestierende Bevölkerung als Feind ansehen, den es zu bekämpfen gilt. Da viele Menschen für die spanische Wirtschaft überflüssig geworden sind, werden sie nur noch als Kosten produzierender Störfaktor betrachtet. Der Ausruf der Abgeordneten der PP, Andrea Fabra, »Que se jodan!« (Fickt euch!) im Parlament, als Rajoy im Sommer vorigen Jahres gerade die Verschlechterungen für die Erwerbslosen verkündete, spricht dabei die gleiche Sprache wie das neue Gesetz für die öffentliche Ordnung. Die Mittel sind zwar noch nicht die gleichen, das despotische Herrschaftsgebaren der Konservativen erinnert aber bereits an franquistische Zeiten. »Guten Tag, Faschismus«, so fasste der bekannte spanische Schriftsteller Luis García Montero die jüngsten Entwicklungen in Spanien treffend zusammen.