Die Deutsche Bank steht unter Druck

Gefährliche Bank am Abgrund

Auf die Deutsche Bank könnten hohe Strafzahlungen zukommen, unter anderem wegen der unlauteren Vergabe von Immobilienkrediten in den USA und Geldwäsche in Russland. Lange Zeit galt die Bank als Inbegriff der starken deutschen Wirtschaft.

Die Fenster sind mit Holzpaletten vernagelt, die Dächer eingerissen. Auf den Straßen ist kaum ein Mensch zu sehen, gelegentlich patrouilliert ein Streifenwagen. Im Süden der kalifornischen Metropole Los Angeles wirken viele Gegenden wie ausgestorben. Als die »große Vertreibung« bezeichnete die linke Wochenzeitung The Nation die Folgen der Immobilienkrise von 2008, als Tausende Bewohner ihre Wohnungen verlassen mussten. Sie konnten ihre Kredite, die sie bei der Deutschen Bank aufgenommen hatten, nicht mehr bezahlen. Die Stadtverwaltung von Los Angeles hatte auf dem Höhepunkt der Krise gegen die Bank geklagt, weil sie zahlreiche Vorschriften missachtet hatte. So wurden viele Kredite an Kunden vergeben, die überhaupt nicht in der Lage waren, ihre Schulden jemals zu begleichen. Anschließend kümmerte sich die Bank nicht mehr um die verlassenen Häuser, weil deren Wert extrem gefallen war. Ganze Viertel wurden so dem Verfall preisgeben. Das Finanzinstitut agiere wie ein skrupelloser »Slum­lord«, erklärten damals Vertreter der Stadtverwaltung. Mitte 2013 einigten sich die beiden Parteien auf einen Vergleich, die Deutsche Bank zahlte mehrere Hundert Millionen US-Dollar. Ihr Ruf ist in den USA seitdem ruiniert. Die juristische Auseinandersetzung in Los Angeles war nur eine von rund 7 000 Klagen, die derzeit gegen die Bank laufen. Unter anderem wird ihr vorgeworfen, dass sie mit 40 000 zweifelhaften Immobilienkrediten in den USA maßgeblich zur Finanzkrise beigetragen habe. Insgesamt hat die Bank 5,5 Milli­arden Euro wegen der laufenden Rechtsstreitigkeiten zurückgestellt. Doch allein die zu erwartende Strafe wegen der Hypothekengeschäfte in den USA übersteigt mit 14 Milliarden Dollar diese Reserven bei weitem. Hinzu kommen weitere Prozesse, unter anderem wegen des Devisenskandals in Russland. Zwischen 2012 und 2014 sollen russische Geschäftsleute und Politiker eine Geldsumme von insgesamt zehn Milliarden Dollar mit Hilfe der Deutschen Bank gewaschen haben. Sollte sich herausstellen, dass die Bank dabei auch gegen die von den USA gegen Russland verhängten Sanktionen verstoßen hat, könnte die Strafe exorbitant hoch ausfallen. Es sei »gerade nicht die beste Zeit für die Deutsche Bank«, erklärte kürzlich deren Vorstandsvorsitzender John Cryan – eine euphemistische Aussage an­gesichts der existentiellen Krise, in der sich das größte deutsche Geldhaus befindet. Die Deutsche Bank habe »weder ein gesundes Geschäftsmodell noch eine Mission«, urteilte das britische Wirtschaftsmagazin The Economist. ­Finanzkritiker wie Michael Hudson fordern, dass man die Bank einfach schließen solle. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es dazu kommt: Der Aktienwert des Unternehmens ist in den vergangenen Jahren um rund 90 Prozent geschrumpft, rund ein Zehntel der Belegschaft soll nun weltweit entlassen werden. Wohl noch nie in ihrer fast 150jährigen Geschichte stand die Bank so nahe am Abgrund. Dabei galt sie jahrzehntelang als Symbol für die starke deutsche Wirtschaft, mit der sie eng verbunden war. Die Großbank wurde 1870 gegründet, um die internationale Expansion der deutschen Wirtschaft zu unterstützen. Als Nachzügler der Industrialisierung hatten deutsche Unternehmen gewaltigen Kapitalbedarf, der mit den damals vorherrschenden Strukturen kaum zu decken war. Die Deutsche Bank trug als Aktiengesellschaft wesentlich dazu bei, die traditionellen Familienunternehmen zu verdrängen und ein neues Geschäftsmodell durchzusetzen. Banken besaßen Industrieaktien und umgekehrt, ihre Vorstände waren wechselseitig in den jeweiligen Aufsichtsräten vertreten. Beim Wettlauf um einen »Platz an der Sonne« wurde die Bank zu einem zentralen Akteur der deutschen Wirtschaft. Die enge Verflechtung zwischen Wirtschaft, politischem Establishment und der Bank setzte sich während des Nationalsozialismus fort. Bei der sogenannten Arisierung jüdischen Vermögens spielte die Bank eine Schlüsselrolle. In der Nachkriegszeit etablierte sie sich als Geschäftsbank des »Rheinischen Kapitalismus«, der sozi­alpartnerschaftlichen Verbindung zwischen Staat, Gewerkschaften und Wirtschaft. Ab den achtziger Jahren veränderte sich jedoch, ausgehend von den USA, die Finanzbranche grundlegend. Kredite von Banken an Firmen wurden zunehmend an der Börse gehandelt, Unternehmen finanzierten sich mehr und mehr über Neuemissionen von Aktien und Wertpapieren. Die Finanzmärkte wuchsen schnell, zahlreiche neue Produkte entstanden, und der Handel mit Derivaten nahm enorm zu. Dieses Geschäftsfeld war nicht mehr auf konkrete Investitionen ausgerichtet, sondern da­rauf, wie sich Preise und Märkte in Zukunft entwickeln würden. Zugleich fielen die Reallöhne, die private sowie die öffentliche Verschuldung nahm deutlich zu. Diese Schulden wurden wiederum in Wertpapiere verwandelt und auf den Finanzmärkten gehandelt. In Deutschland wurde diese Entwicklung zunächst ignoriert, da sie scheinbar wenig zu der engen Verflechtung zwischen deutschen Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen passte. Als die Finanzmärkte in den neunziger Jahren weiter expandierten, wollte die Deutsche Bank den lukrativen Handel nicht verpassen. Als Nachzügler ging sie dabei mit besonders rabiaten und riskanten Mitteln vor. Ende der achtziger Jahre übernahm die Deutsche Bank das britische Geldhaus Morgan Grenfell und stieg damit in das Geschäft des Investmentbanking ein. Ein Jahrzehnt später kaufte sie die US-Investmentbank Bankers Trust und gehörte wenig später zu den zehn größten Banken der Welt. Kurz vor der Finanzkrise verzeichnete die Deutsche Bank einen Rekordgewinn von 6,5 Milliarden Euro, der Aktienkurs befand sich auf seinem Höchststand. Wie Teile dieses Rekordergebnisses erzielt wurden, kann man nun den Prozessakten entnehmen. Die Finanzkrise von 2008 setzte die Deutsche Bank unter Druck, auch wenn sie damals stolz verkündete, keine staatliche Hilfe annehmen zu müssen. Allerdings profitierte die Bank zumindest indirekt erheblich von staat­lichen Programmen. So war die Deutsche Bank an der IKB und der Hypo Real Estate beteiligt, die von der Bundesregierung gerettet wurden. Ebenso profitierte sie von der deutschen Bankenhilfe für Griechenland. In den USA unterstützte die dortige Regierung den Versicherungskonzern AIG mit hohen Summen, wovon rund zehn Milliarden Euro an die Deutsche Bank flossen. Während viele Finanzinstitute ihr Investmentbanking damals reduzierten, drehte die Deutsche Bank unter ihren damaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen und Anshu Jain erst richtig auf. In den folgenden Jahren wurde sie zum führenden Akteur auf dem Derivate-Markt. Laut Handelsblatt soll ihr Geschäftvolumen in diesem Bereich rund 46 Billionen Euro betragen. Der Internationale Währungsfonds nannte sie deshalb die »gefährlichste Bank der Welt«. Die Deutsche Bank selbst hat das eigentliche Risiko auf 41 Milliarden Euro beziffert. Wie hoch es tatsächlich ist, weiß man wohl nicht einmal in Frankfurt genau. Der »Kulturwandel«, den die Deutsche Bank seit einiger Zeit propagiert, kommt wohl um einige Jahrzehnte zu spät. Fällt die Deutsche Bank, dann fallen auch viele andere Finanzinstitute, mit denen sie nach wie vor eng verflochten ist. Die US-Regierung wird deshalb trotz der angedrohten Strafzahlungen kaum Interesse daran haben, die Bank in den Bankrott zu treiben. Vielmehr möchte sie die Bundesregierung dazu bringen, dem größten deutschen Geldhaus unter die Arme zu greifen. Dann würden auch US-Finanzunternehmen davon profitieren. Die deutsche Regierung wiederum weist solche Überlegungen derzeit weit von sich. Sie wären innenpolitisch alles andere als populär. Vor allem aber würde es ihren eigenen Vorgaben in Europa widersprechen. Derzeit streitet man mit der italienischen Regierung, die den maroden Bankensektor Italiens mit staatlichen Hilfen unterstützen will. Die Bundes­regierung lehnt dies kategorisch ab. Einem Bankrott der Deutschen Bank kann sie aber auch nicht tatenlos zusehen. So spielen alle Beteiligten auf Zeit. In der Vorstandsetage in Frankfurt hofft man, dass die Höhe der Strafzahlungen vielleicht doch etwas glimpflicher ausfällt als angekündigt. Im Kanzleramt in Berlin hofft man darauf, dass vor den Bundestagswahlen im kommenden Jahr nichts Dramatisches mehr geschehen wird.